Canada 1995.6

21.09.1995 Canmore – sehr früh am Morgen

Zu dem immer währendem Musikgenuss gesellte sich dann noch dieses hervorragende Bett: Es war völlig unmöglich auf einer Seite liegen zu bleiben. Ständig kugelte man, weil die Matratzen so ausgelutscht waren, in die Mitte zurück. Wie ich so vor mich hin döse, wache ich nächtens auf und bemerke eine Bullenhitze. Jemand musste über Nacht die Heizung angestellt haben, doch es gab keinen Regler zum Schließen der selbigen.

Um 6.00 Uhr in der Frühe stehen wir auf, Katzenwäsche – meist noch weniger als dieses – und flüchten aus diesem Paradies. Wenn ich nur daran zurück denke, wie heiß die Heizung war: Sabine bespritzte die Oberfläche mit kaltem Wasser – wir hätten auch ein Dampfbad daraus machen können – es verdampfte mit einem lauten Zischen!Uns fiel ein, dass man ja zumindest das fenster öffnen könnte. Ja, das ging – hochschieben und den auf dem Fensterbrett befindlichen Vierkantklotz unter den Fensterrahmen stellen…

Wir hatten kaum unsere Koffer im Wagen verstaut beschäftigte mich bereits die nächste Frage: Wo bekamen wir jetzt in aller Herrgottsfrühe ein Frühstück her? Doch keine Panik! Wir fanden gleich um die Ecke ein kleines, aber feines Restaurant. Es nannte sich „Firefighter Inn“, sicher ein Treffpunkt für die Feuerwehrleute in diesem Ort. Sehr nett!

Wir bestellten uns, natürlich, ein Kanadisches Frühstück. Es war das Beste bisher und entschädigte uns ein wenig für die fürchterlichste Nacht, die hinter uns lag. Die Bedienung – bleiben wir doch beim Englischen – die waitress, ist allein aber superschnell. Und trotz der Eile sehr freundlich. Gäste die später hinzu kamen, warteten geduldig bis sie einen Tisch zugewiesen bekamen. Das Schild „Please wait to be seated“ wurde in allen Restaurants die wir in Kanada besuchten, sehr ernst genommen!. Toll!

Nach dem Frühstück fuhren wir zurück nach BANFF (4500 Einw. Stand 1995). Man erreicht diese Stadt auf dem TCH, dem man durch das BOW RIVER VALLEY Tal Richtung Südosten folgt. Das im Sommer noch mehr überquellende Ferienstädtchen entstand bereits kurz nach dem Bau der Canadian-Pacific-Railway, als die Bahngesellschaft 1886 das BANFF SPRINGS HOTEL nahe den heißen Quellen errichtete. Damit war Banffs Ruf als nobler Kurort begründet, der Grundstein für ein schnelles Wachstum gelegt. An der Hauptstraße, der Banff Avenue, drängen sich Restaurants, Sportgeschäfte so wie die schon angesprochenen Souvenirläden. Die wenigen Sehenswürdigkeiten im Ort sind schnell besucht: Das NATURAL HISTORY MUSEUM, das in lebensgroßen Szenen das Leben der Indianer nachstellt, und das WHITE MUSEUM OF THE CANADIAN ROCKIES zur Geschichte der Berge. Rings um den Ort warten weitere Attraktionen: Das ehrwürdige Banff Springs Hotel nahe den Wasserfällen des Bow River, welches wir besichtigen und vor allen Dingen fotografieren wollen. Doch das parken kostet einen lächerlichen Scheiß Dollar, den Sabine nicht zu zahlen gedenkt. Ich hätte liebend gern auf diesen Dollar verzichtet. Manchmal stellt sich diese Frau wirklich pissig an!

Kurz hinter dem Hotel, Sabine hat schon gewendet, sehen wir eine Pension mit dem berühmten „VACANCY“ Schild. Es heißt ELKHORN LODGE. Ich bin dafür sofort zu reservieren, doch Sabine meint Tanken wäre jetzt wichtiger. An der Fuel Station versucht sie dem Tankwart zu erklären, dass sie ein Problem mit den Scheibenwischern hätte. Der Mann hinter der Kasse holt auch tatsächlich einen Mechaniker, der sich die Sache einmal ansieht. Ich gebe ihm den vorsichtigen Tipp einmal die Sicherungen zu kontrollieren.Da schlägt er die Hände über den Kopf zusammen und beginnt mit seiner Arbeit.

Mittlerweile habe ich mir die Bedienungsanleitung aus dem Handschuhfach geholt und mir wurde schlagartig die Reaktion des Mannes begreiflich: Der müsste tatsächlich 120 (!) Sicherungen kontrollieren!

Doch nach dem Durchmessen derselbigen kommt er zum Schluss, dass wohl der Wischermotor defekt sein muss… (The wipermotor is broken…) Es wäre wohl das Beste wir würden den Wagen bei der nächsten „Hertz“ Vertretung, die sich im Banff-Springs-Hotel befand, tauschen. Nachdem wir uns überaus für den Service bedankt hatten, kehrten wir also zum Hotel zurück.

Der Hertz Vertreter ist sehr nett, hört sich geduldig unsere Situation an und es dauert keine halbe Stunde, da haben wir einen neuen Wagen und einen neuen Vertrag – … to the same conditions…) wie er uns versichert. Und wir sparen sogar noch einige Steuern, weil diese in Alberta nicht anfallen. Weil wir ja so große Koffer hatten, bekamen wir einen blauen GM Oldsmobile mit 3,1l Hubraum, 190 PS sowie sechs Zylindern – eine tolle Schleuder!…

Nachdem wir den Wagen im Parkdeck des Banff-Springs-Hotel mit unseren sämtlichen Klamotten eingepackt haben – die Koffer passen trotzdem noch knapper in den Kofferraum – ging es endlich zurück zur „Elkhorn Lodge“. Es war wie ein Wunder – es war immer noch „Vacancy“. Bei dem Glück haben wir natürlich sofort gebucht. So etwas wie die letzte Nacht sollte nie wieder passieren.

Weiter ging es danach auf dem TCH entlang zu unserem ersten Ziel des Tages: dem MORAINE LAKE. Es geht vorbei an wundervoll vergletscherten Bergstöcken in einer sagenhaften Umgebung. Wir konnten uns einfach nicht satt sehen an dieser überwältigenden Schönheit, die uns ringsum förmlich erschlug. Und um jedenfalls ein wenig vorwärts zu kommen, fotografierte ich durch die Windschutzscheibe hindurch. (Was für ein Frevel)…

Die Moraine Lake Road führte uns direkt zur Moraine Lake Lodge, dem Tourist Info Point am See. Ich fotografierte noch einige Hinweisschilder damit ich mich zu Hause in der Bilderflut auch wieder zurecht fand, bevor wir uns auf den Weg zum See machten.

Mir stockte der Atem und alles, was ich über diesen See gehört oder gelesen hatte, wurde übertroffen! Türkis schimmernd lag er umrahmt von zehn Dreitausendern in aller Stille vor mir. Der Schöpfer musste sich hier regelrecht ausgetobt oder einfach nur eine wundervolle Laune gehabt haben. Ich fotografierte wieder, was die Kamera hergab. Und um einen besseren Überblick über die ganze Szenerie zu bekommen, schlug ich mich über einen Berg von angelandeten Baumstämmen durch und kraxelte über unwegsames Berggelände. Oben angekommen, rang ich erst einmal nach Luft. Doch kaum kam ich wieder zur Atmung, stockte sie auch schon wieder; zunächst wegen der sprichwörtlichen atemberaubenden Aussicht, die man mit keiner Kamera der Welt hätte einfangen können, und zum anderen – es gab hier auch einen gemütlicheren Weg nach oben (!) Das kommt davon, wenn man wie ein wilder Stier durch die Landschaft tobt!

Ich stieg, nachdem ich alles was mein Herz begehrte, fotografiert hatte, diesen Weg hinab und traf mich am Ende mit Sabine wieder.

In Lake Louise, das am Ende einer kurzen Straße hoch über dem BOW RIVER VALLEY liegt, fotografiere ich den 2 Kilometer langen Bergsee, der zu Füßen des MOUNT VICTORIA (3464m) liegt und eines der beliebtesten Fotomotive in den Rockies ist. Im Vordergrund das milchig grüne Wasser, dahinter der Victoria-Gletscher der mächtig aussieht und steile Felswände. Direkt am Ufer des Sees, es gibt hier auch eine Kanuvermietung, erhebt sich das von Gartenanlagen umgebene renommierte Hotel CHATEAU LAKE LOUISE, Wanderwege führen am Nordufer des Sees entlang zu Aussichtspunkten in den Bergen. Im Hotel sieht es nicht minder gewaltiger aus: Viele kleine, aber sehr exklusive Läden bieten hier ihre nicht weniger exklusiven Waren an. Das witzigste Erlebnis war hier: In einem kanadischen Hotel spielt ein Österreicher auf einer Zither einen norddeutschen Shantie! Natürlich konnte man auch Music-Kassetten von ihm erwerben und unsere japanischen Freunde sprachen dem auch reichlich zu!

Draußen vor dem Chateau mache ich mich über die kleinen Streifenhörnchen, den Chipmunks, fototechnisch her die unablässig zwischen den großen Steinen am Ufer umher liefen. Einfach zu niedlich diese Gesellen.

Unser weiterer Weg führt uns auf dem ICEFIELD PARKWAY zum BOW LAKE. Auf dem Weg dort hin scheinen sich die smaragdgrünen Seen, schäumende Wasserfälle, gewaltige Hängegletscher und charakteristische Bergsilhouetten gegenseitig an Schönheit übertreffen zu wollen. Hinter jeder der seltenen Kurven, jedem Pass, eröffnete sich ein neuer Anblick auf grandiose Gebirgslandschaften. Dann taucht er links vom Fahrersitz auf: die Straße gleitet etwa für zwei Kilometer dicht an seinem Ufer entlang. Der Bow Lake; der vom Gletscher gleichen Namens gespeist wird und seinerseits den Bow River aus sich entlässt. Man sieht den Gletscher in blau-weißer Pracht oberhalb des Sees in den Bergen hängen. Er gehört zum riesigen Wapta-Eisfeld, das im nördlichen WAPUTIK GEBIRGE den steilen Nacken der Rockies deckt und seine Schmelzwasser sowohl nach Westen zum Pazifischen Ozean als auch nach Osten zum Altlantischen Ozean entsendet.

Für ein stilles Örtchen ist überall Platz…

Die Straße setzt, wenn man das Seeufer verlassen hat, zu einer letzten Steigung an. Geschafft, endlich! Der BOW PASS ist oben am Pass auf 2070m angestiegen und senkt sich nun wieder. Der Automotor arbeitet mühelos. Nach einer weit geschwungenen S-Kurve nähert sich die Straße dem Ostzipfel eines neuen Sees, der sicherlich einen der schönsten in der Abfolge von juwelenhaft vollkommenen Seen darstellt, die an dieser in ganz Kanada oder sogar Nordamerika, ja der ganzen Welt unübertroffenen Straße, dem ICEFIELD PARKWAY, dem Reisenden immer neue Seufzer der Ausdrucke des Entzückens entlockt: PEYTO LAKE!

Hier haben wir dem Auto für eine Stunde Ruhe gegönnt und uns dem Fußweg anvertraut, der zu einem Aussichtspunkt über den See führt. Tief eingebettet ruht er zwischen den Wäldern des hier wieder breiter gewordenen Tals. Sein Wasser schimmert wie alle See türkisfarben und übertrifft an Leuchtkraft – von innen heraus sozusagen – jeden Edelstein. Waghalsige mögen über einen sehr steilen Weg der immerhin 250m Höhenunterschied überwindet, bis zum Seeufer hinunter klettern, durch einen dicht verwachsenen subalpinen Wald.

Von einem Aussichtspunkt her gesehen, etwa zweieinhalb Kilometer auf der Straße weiter jenseits der Passhöhe, scheint der See wie ein Balkon über dem Tal des MISTAYA FLUSSES zu hängen, der aus dem Peyto Lake nordwestwärts über grobe Felsen glasig klar und silbern schäumend bergab springt.

Blöd, wenn man zur falschen Zeit kommt…

Der See erhielt seinen ungewöhnlichen Namen nach einem Waldläufer namens Bill Peyto, der um die letzte Jahrhundertwende, als diese Berge und Täler noch einsame Wildnis waren und jeden, der sie kennen lern wollte, viel Mut und Mühe abverlangten, als der Einzige galt, der sie Gewässer, Gebirge, und Gletscher dieser grandiosen Gegend gründlich kannte und deshalb Fremde führen konnte.

Bill Peyto erlangte mit der Zeit einen weithin geltenden Ruf, und als man im schnell aufstrebenden und Berühmtheit gewinnendem Banff einen Parkaufseher und Bewahrer suchte, da die Zahl der Besucher, darunter manch ein Unkluger und Vorwitziger, schnell zunahm, konnte man keinen besseren dazu ernennen als den wildnis- und bergerfahrenen Peyto. Um sein Andenken zu bewahren, erhielt der schönste der vielen Seen an der Straße nach Jasper seinen Namen.

Oben am Ziel angekommen musste ich auch gleich einen Koreaner mit dem See im Hintergrund fotografieren – anderen Besuchern fiel das Gleiche ein, so kam ich gar nicht dazu selbst Bilder zu machen. Viele Deutsche sind hier oben und wir hatten wohl alle eines gemeinsam: Wir konnten uns einfach nicht von diesem Anblick los reißen.

Doch es wird zunehmend dunkler und wir müssen gezwungenermaßen langsam an den Abstieg denken. Zumal wir im Moment nicht von einem Ehepaar los kamen, welches wir schon beim Aufstieg kennen lernten. Die Unterhaltung wurde nun fortgesetzt. Ich hatte andere Probleme: Mich nerven die vielen Mücken! Doch alles hat einmal ein Ende, und wir treten von Hunger getrieben den Heimweg zurück in die Elkhorn Lodge nach Banff an.

Wir entschließen uns in das gleiche Lokal wie gestern zu gehen. Und dort angekommen bestelle ich mir natürlich gleich Two orders of Chicken wings, diesmal mit einem Glas Bier, die wings diesmal allerdings nicht so scharf wie gestern.

Nach einiger Zeit, so ungefähr bis ein Glas Bier alle ist, entscheide ich mich für ein weiteres – hätte ich besser nicht tun sollen. Doch mir gingen an diesem Abend, sogar in dieser Spelunke, oder gerade derswegen, die unausstehlichen „Ruhrpott Yankees“ auf die Nerven. Und wenn diese dann auch noch mit unseren ostdeutschen Kollegen zusammen treffen, kann man getrost das Lokal verlassen. Jedweder Appetit oder Durst ist dann wie weggeblasen. Etwas Schrecklicheres ist uns in ganz B.C. Nicht passiert.

Wir versuchen also diese Anhäufung von Peinlichkeiten zu ignorieren indem wir einen ganzen Schwung Postkarten schreiben. Aber dennoch: Einige Stunden später zieht es uns doch in unsere Unterkunft.

Wir fallen in verflucht weiche Betten und in einen tiefen traumlosen Schlaf.

Canada 1995.5

20.09.1995 6.24 Uhr Golden

Wir haben doch tatsächlich Frost hier oben! Minus 3 Grad Celsius und keinen Eiskratzer. Da musste eben mal die Scheckkarte herhalten! Das ging auch ganz gut. Mit dem Frühstück hatten wir zum ersten Mal Probleme. Natürlich sind wir wieder bei A&W eingekehrt: Das Restaurant stand auf der anderen Seite des TCH und der Parkplatz war belagert von vielen riesigen Trucks, die langsam zum Leben erwachten.

Sabine bestellt wieder zwei Kanadische Frühstück, wie am Tag zuvor in Kelowna. Doch als wir statt des erhofften „Nationalgerichts“ zwei Hamburger mit Kartoffelröstis bekommen, zieht sie eine Schnute. Nach einigem Hin und Her erfahren wir, dass sie falsch bestellt hat. Die Fastfoodkette hatte kurzfristig das Angebot umgestellt. Die waitress fackelte aber nicht lange und tauschte alles um. Kurz darauf bekamen wir dann unser erwünschtes „Holzfällerfrühstück“. Nachdem mein Kakao und Sabines Kaffee leer sind, gehe ich los um Nachschub zu holen. Als ich den bezahlen will verneint unsere waitress und erklärt uns, dass das Nachschenken (Refill) kostenlos ist. Man bekommt tatsächlich so lange nachgeschenkt bis es aus den Ohren wieder raus kommt. Und das alles für einen Can$. Bei uns in Germany völlig undenkbar. Nach dem Frühstück gebe ich der waitress 2 Can$ Trinkgeld, worüber sie sich sichtlich freut, denn es ist ganz und gar unüblich in einem Schnellimbiss Trinkgeld zu geben. Wieder auf dem Motelzimmer, versuche ich Sabines Mutter anzurufen. Beim ersten Mal ein totales Tohowabohu. Dauernd schaltet sich der Oparator ein, weil ich irgendetwas falsch mache! Doch beim xten Versuch tippe ich die richige Nummer ein und die Verbindung ist so gut, als würde ich mal eben um die Ecke telefonieren. Phantastisch!

Es ist 9.30 Uhr. Golden, das wie Revelstoke als Eisenbahncamp gegründet wurde, liegt umrahmt von Bergen am Oberlauf des Columbia River. Der Strom fließt hier von Süd nach Nord durch den Rocky Mountain Trench, einem großen Grabenbruch zwischen den Columbia Mountains im Westen und den Rocky Mountains im Osten.

Wir fahren hinaus in die noch kalte Morgensonne. Die Luft ist klar und sauber, nur einige Nebelwolken über den Bergen trüben noch die Sicht. Insgesamt sind wir heute nur 200 Kilometer gefahren, die sich aber mehr als gelohnt haben. Hinter jeder der doch recht seltenen Kurven beeindrucken die Berge von Neuem. Wir hätten alle 5 Minuten anhalten können um zu fotografieren. Nur wenige Kilometer stromabwärts von Golden beginnt der vom MICA DAM aufgestaute, 200km lange KINBASKET LAKE, in dem der Fluss das Hindernis der Columbia Mountains in weitem Bogen umgeht. Die Eisenbahn spielt bis heute eine wichtige Rolle im Wirtschaftsleben der Stadt, ebenso die Holzindustrie – die kahlen Hänge links und rechts des Columbia River zeigen es deutlich. Golden ist aber auch ein beliebter Ausgangspunkt für Angler und Wanderer, die sich für ihre Touren in die umliegenden Bergregionen ausrüsten.

Wir fahren nun weiter auf dem TCH, der jetzt dem schmalen, charakteristischen V-Tal des „KICKING HORSE RIVER folgt, zwischen steilen Sandstein- und Schieferhängen hinauf in die Rocky Mountains. Nach 25km erreichen wir den vom Massentourismus kaum berührten YOHO NP. Hier war dann auch unser erster sehr interessanter Halt im Einzugsgebiet der Rockies. Der 1313m² große, 1886 gegründete Park birgt eine grandiose Hochgebirgslandschaft. Der Name „YOHO“ stammt aus der Sprache der Cree-Indianer und drückt Bewunderung aus, etwa „OH!“ im Deutschen.

Tatsächlich ist die Natur hier teilweise noch bizarrer und spektakulärer als in den anderen Nationalparks der Rocky Mountains: die Täler enger, die Wasserfälle höher, die Flüsse reißender. Ein ausgedehntes Netz von Wanderwegen erschließt die aparten Schönheiten. Unter Wissenschaftlern ist der Park für seine weltweit einmaligen Funde von Fossilien im BURGESS SHALE berühmt: über 100 verschiedene Meerestiere, die hier vor 530 Mio Jahren im Schlamm eines urzeitlichen Meeres lebten.

Unser erster Weg führt uns an diesem kalten Morgen zu den Wapta Falls.

Aber bis wir die erreichen, müssen wir noch 2,4 km zu Fuß gehen und Sabine wünsche sich einmal mehr warme Handschuhe – zu Anfang jedenfalls.

Hier gab es Eichhörnchen und wir gaben uns von nun an jedes Mal einen Punkt, wer dann eines gesichtet hatte. Schon nach kurzer Zeit stand es 3:1 für Sabine. Das wir aber später noch sehr viel mehr sehen sollten, dass man sie kaum zählen konnte – das wussten wir an diesem Tag noch nicht. Am Ziel unseres Weges wurden wir mit einem kleinen, doch sehr fotogenen Wasserfall belohnt. Allein, was den Hintergrund anging. (Leider gab es nur abgesperrte Aussichtspunkte, was für ein wirklich gutes Foto nicht gerade förderlich war). Doch was scherten mich Absperrungen! Als wir uns satt gesehen haben, müssen wir erst einmal wieder 2,4 Kilometer zurück legen, um zu unserem Auto zurück zu gelangen.

Bei FIELD – der einzigen Ortschaft im Park -, zweigt eine rund 10km lange Seitenstraße ab, auf der man zunächst zu einer natürlichen Felsenbrücke kommt – (Auch hier musste ich natürlich direkt auf diese Steinbrücke, während andere sie nur aus der Ferne sahen) unter der der Kicking Horse River hindurch tost.

Von dort aus fahren wir weiter in Richtung Provinz ALBERTA. Und es ging nahtlos weiter: wir wurden von wundervoller Landschaft um uns herum erschlagen. Bald erreichten wir das Besucherzentrum in dieser Provinz. Neugierig schauen wir uns in diesem Gebäude um; was wohl der nächste Abschnitt unserer Reise bringen würde? Leider gab es dabei auch schon viele Sachen, die wir einfach versäumt hatten. 😦 Vorbei gefahren, nicht gewusst…

Und so bitte ich Sabine, zumindest bis zum EMERALD LAKE zurück zu fahren. Dieser hatte mich in der Touris Info sehr eingenommen; auf den Dias sah das einfach toll aus und ich fand es lohnend, ihn auch in Natura gesehen zu haben, bevor es weiter ging.

Und es hat sich gelohnt! Türkis schimmernd lag er wie ein Juwel am Ende der Straße, eingefasst von Berggipfeln und Gletschern. Ein erhabener Anblick! Auf dem zweistündigen Rundwanderweg um den See genossen wir das majestätische Panorama in aller Stille.

Jahre später sollte ich hier noch viel schönere Bilder machen, aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht…

Etwas nördlich von Field zweigt vom TCH eine weitere Seitenstraße ab, die in engen Haarnadelkurven die steilen Wände des YOHO VALLEY hinauf steigt. Tief in diesem Tal versteckt tosen die 384m hohen TAKAKAW FALLS, die wir leider nicht gesehen haben, von den Felsen herab. Im Yoho Valley beginnen ausgezeichnete Wanderwege zu den Bergseen und und Gletschern im Hinterland.

Kaum waren wir zurück auf dem Highway sah man links eine gut ausgebaute Parkbucht; ein sicheres Zeichen für eine weitere Attraktion: Von einer Aussichtsplattform bietet sich ein schöner Blick auf die schroffe Steilwand des MOUNT STEPHEN (3199m) und auf die Gleise der Canadian -Pazifik-Railroad. Hier können wir (wenn man es nicht weiß, Pech) ein ansonsten recht häufiges Schauspiel verfolgen und fotografieren: Einen Güterzug mit mindestens 111 Anhängern (!). Was hier eigentlich abläuft wurde uns erst bewusst, als eine junge Frau deutscher Herkunft mit wortgewaltigen Ausdrücken erklärte, wie das mit den SPIRALTUNNELN funktionierte.. Spiraltunnel – da hatte ich zum ersten Mal etwas in Revelstoke im Museum gelesen.

Also, das geht so:

Auf einer Trasse über uns hören wir einen Zug schon tuten. Er wird in den nächsten Augenblicken in unser Blickfeld kommen. Da in diesem Teilstück sehr große Höhenunterschiede zu bewältigen sind, baute man die dazu nötigen Spiraltunnel.

Sie waren unumgänglich, um in die andere Richtung den Aufstieg zum Kicking Horse zu ermöglichen. Immerhin hat der Pass eine Höhe von 1647 Metern.

Dieser Zug wurde von drei (!) Lokomotiven gezogen. Zwei vorn und die dritte in der Mitte. Das Ding war so lang, dass es an drei Stellen der Serpentinenstrecke gleichzeitig zu sehen war.

Gigantisch!

Parallel zu den Schienen überquert der TCH den Grat der Rocky Mountains und erreicht den BANFF NP in der Provinz Alberta. ICH entschied, dass wir da zuerst hin fuhren. Hätten wir das nur nicht getan! Banff quoll über vor Asiaten, in der Häufigkeit Japaner! Nicht nur als Besucher – weit gefehlt. Viel schlimmer! Sämtliche Andenken und Souvenirläden wurden ausnahmslos von Asiaten geführt. Es war wie ein schrecklicher Alptraum – weit schlimmer als Oberammergau! Denn- es gab, wie dorten auch, eine Christmas World für’s ganze Jahr. Der Kitsch übertrifft in der Stadt Banff aber einfach alles! Ich will nach den ersten vier Läden nur noch weg! Und Sabine sucht in der Tourist Information nach einer Bleibe für die Nacht…

Diesmal kamen wir in die verteufelte Lage, dass in der „näheren Umgebung“ alles ausgebucht war. Was nun?

Der freundliche Mensch im Info Center schickte uns zunächst nach CANMORE, 25km von Banff entfernt. Es könnte ja sein, dass dort mit etwas Glück noch ein Zimmer frei wäre. Doch wie dem auch sei: Zuvor brauchten wir etwas zwischen die Zähne.

Ich kam um vor Hunger! Hier gab es dann zum dritten Mal Chicken wings, und weil ich nicht wusste, wie groß die Portionen sein würden, gleich two orders of…

War auch kein Fehler, doch die Portionen waren riesig. 18 Wings für 13 Can$. Sabine hatte sich in ein noch heißeres Nest gesetzt: Sie hatte sich für etwas Thailändisches entschieden: Megascharf! Die Arme! Sie hat sich fürchterlich das Maul verbrannt! Nichts für ungut, aber meine Wings waren auch nicht von schlechten Eltern. Aber lieber HOT als mit Blauschimmelkäse, ehrlich!

Nach dem Essen begann eine kleine Odyssee nach und durch Canmore. Wir irrten lange durch die völlig fremde und abgeschiedene Stadt, und fanden trotz intensiver Suche – nichts! Nur langsam musste etwas geschehen: Entweder weiter fahren oder das Zimmer nehmen, welches wir bei einem fragwürdigen Motel entdeckt hatten.

Sabine überlegte nicht lange und fuhr auf den nächstbesten Parkplatz. Wir hatten uns entschlossen, das Zimmer wenigstens anzusehen.

Wir traten ein in eine Art Kneipe und ich fühlte mich um Jahrzehnte zurück versetzt. James Dean ließ grüßen! Da saßen Männer und Frauen sich an kleinen Tischen gegenüber und waren mit irgendetwas beschäftigt. Alles war in schreiendem Rot und düsteren Schwarz eingerichtet. Zu bestimmten Zeiten wurden hier wohl Rock’n’Roll Tanzwettbewerbe abgehalten, denn viele Fotos an den Wänden schlossen darauf.

Etwas unsicher gingen wir also zu dem Wirt, oder was auch immer dieser Mensch darstellte zu, und fragten nach einem Zimmer. Ja, er hatte noch eines. Doch Sabine wollte es zunächst einmal sehen. Was für eine Frage! Als ob wir das jetzt noch ändern könnten. In der Lage in der wir uns befanden, war keine Wahlmöglichkeit vorhanden.

Aber gut, wir und der Wirt willigten ein und begaben uns über eine immens quietschende und knarrenden Treppe nach oben. Ich hatte das Gefühl, das seit dem Goldrausch im Klondike hier nichts mehr getan worden ist. Es ging vorbei an einem Bathroom (!) den man vor Dreck und Enge leider nicht betreten konnte; an Toiletten, denen man von außen ansah, dass man sie lieber nicht benutzen sollte und vorbei an Zimmern, die mit allen möglichen Geräuschen, meist sehr laut, angereichert waren. Ich schloss also unser nächtliches Paradies auf: Es war ein Alptraum, aber einigermaßen sauber. Dennoch: Wir kamen uns vor wie in einem schlechten Western! Sabine wollte am liebsten flüchten, wusste aber nicht wohin. Und so gab es nur eine Alternative: Draußen im Auto übernachten – bei Frost und ohne Decke!

Also nahmen wir zähneknirschend das Kämmerchen, was sollte man auch für 38Can$ mehr verlangen, und versuchten uns einigermaßen einzurichten. Doch an Schlafen war überhaupt nicht zu denken. Die anwesenden Gäste knallten die ganze Nacht erbarmungslos mit den Türen, Musik aus der unter uns befindlichen Bar dröhnte nach oben und damit das Glück auch vollkommen war, auch noch Musik aus einigen Gettoblastern aus verschiedenen Zimmern zu uns hinein. Es war wirklich eine seltsame Horrornacht!

Canada 1995.4

19.09.1995 Kelowna, Revelstoke und Golden

Heute morgen sind wir aus Kelowna erst um 8.00 Uhr (!) los gefahren. Nachdem wir unsere Koffer im Auto verstaut hatten, suchten wir die Tankstelle im Ort auf. 55 CanCent, fast 60 Pfennig, kostet hier der Liter Benzin. Doch bis ich den Tankverschluss endlich auf hatte, sollte noch einige Zeit vergehen. Bis mir ein zu Hilfe gerufener Kanadier erklärte, wie man das Ding auf bekam: Push (!) and Turn. Und ich war nur am Turnen, da konnte das Ding natürlich nicht auf gehen. (Zur Beachtung: Ich habe bis dahin und auch noch viele Jahre danach keinen Führerschein fürs Auto gehabt… also bitte nicht lachen!) Also dann: Tank voll gemacht und weiter ging es Richtung Nordosten. Nördlich von Kelowna wechselt der Hwy.97 in ein Paralleltal des Okanagan Valley. Und in WHINFIELD kann man die große Whiskybrennerei HIRAM WALKER & SONS besuchen, in der unter anderem die Traditionsmarke „Canadian Club“ destilliert wird. Durch die Brennerei gibt es Führungen, doch zunächst ließen wir uns von unserem Hunger in ein Restaurant führen: A&W, eine Fastfoodkette wie Mc Donalds hatten wir uns auserkoren. Und wieder wählten wir ein Kanadisches Frühstück. Die Bestellung wurde von einer sehr netten Dame hinter der Kasse entgegen genommen.

Nach dem Frühstück ging dann weiter in Richtung VERNON (23.500 Einw.) einen vom Tourismus noch nicht entdecktem Farmort am Nordende des Okanagan Valley. Dort lohnt die Besichtigung der O’Keefe Ranch – sagt unser Reiseführer, doch man muss eines wissen: Wenn der Hinweis kommt, genau dann abzubiegen, wenn es ersichtlich ist, dann sollte man dies tun, es gibt niemals eine zweite Möglichkeit, und so sind wir an der Abfahrt vorbei gerauscht :-(. Und auf dem Highway wenden ist verboten.

Die originalgetreu restaurierte Pionierranch von 1867 ist heute ein Museumsdorf mit General Store, Siedlerhäusern und viel Westernflair. Irgendwie bereue ich es doch, es mir nicht angesehen zu haben…

Farmland mit saftig grünen Wiesen (wenn es nicht regnet, werden die tatsächlich mit Riesenrädrigen Bewässerungssystemen mit Wasser berieselt), begleiten den Highway 97A nach SICAMOUS (2500 Einw. Stand immer noch 1995 :-), das an der Kreuzung mit dem TCH liegt. Der kleine Ort ist Ausgangspunkt für Wassertouren auf dem SHUSWAPE LAKE, einem weit verzweigten See, dessen Uferlinie über 1000 km (!) lang ist. Da nur wenige Straßen durch die dicht bewaldeten Hügel führen, kann man per Houseboat in diesem Wasserlabyrinth herrliche Wildnisferien verbringen.

In der Nähe dieses Sees genehmigt sich Sabine eine Schlafpause.

Geht einfach mit meiner Jacke als Kopfkissen ans Ufer und legt sich schlafen! Damit mir derweil nicht allzu langweilig wurde, erkunde ich die nähere Umgebung, immer mit einem Auge auf unser Fahrzeug. Man konnte ja nie wissen. .. So kam ich auf der Suche nach einem guten Fotomotiv durch ein bachbett, welches man trockenen Fußes über umgestürzte Bäume überqueren konnte. Doch auch auf der anderen Seite sah es nicht viel gewaltiger aus… Also wieder zurück. Und dort schglug ich mir die zeit mit Libellen beobachten tot. Poooh, war mir langweilig! Aber… diese Ruhe…

Panorama Einwegkamera…. war n Versuch wert….

Große Waldgebiete kennzeichnen den Weg entlang der transkontinentalen Bahnlinie hinauf in die MONASHEE MOUNTAINS. Nach etwa 30km auf dem TCH passiert man GRAIGELLACHIE. Der schottisch klingende Name steht nicht für eine Siedlung, sondern für ein Ereignis von historischer Bedeutung: Am 7. November 1885 wurde an dieser Stelle der letzte Nagel (the last pike) in die Schwellen der Trans-Canada-Eisenbahnlinie geschlagen. So stolz ist man darauf, dass man diesen letzten nagel, überall in dieser Gegend, vergoldet kaufen kann!

Fast 15 Jahre hatte es gedauert, bis der Osten und der Westen verkehrsmäßig verbunden waren – eine wichtige Voraussetzung für die Einheit des Landes. Auch der Holzumschlagplatz REVELSTOKE (7.700 Einw.), den wir jetzt anliefen, verdankt seiner Existenz der Bahn. Er wurde als Arbeitercamp gegründet und nach dem englischen Bankier Lord Revelstoke benannt. Der Ort liegt auf einer Ufertrasse des mächtigen, 1930km langen Columbia River, der von hier nach Süden in die USA fließt, um im Staat Oregon in den pazifik zu münden. Technikinteressierte können 10km nördlich des Ortes den REVELSTOKE DAM oder 138km weiter stromaufwärts den 242m hohen MICA DAM besuchen, einem der größten Staudämme Westkanadas. Wir zogen allerdings ein anderes Programm durch.: Da ich nicht ganz unbeleckt bin, was Eisenbahn – und deren Geschichte angeht, besuchten wir das Revelstoke Railway Museum.

Viele Bilder entstanden von der sich darin befindenden Lokomotive. Ein gewaltiges schwarzes Monstrum. An den Wänden rings um den doppelstöckigen Bau hingen viele Zeichnungen und auch alte Fotos die vom beschwerlichem Bau der Eisenbahnlinie zeugten. Unter anderem steht da auch eine Bohrvorrichtung zum Bohren von Verbindungslöchern in die Gleisstränge. Ich habe mein Glück auch mal versucht. Gar nicht so einfach die beiden Handkurbeln, die links und rechts angebracht waren, so schnell zu drehen, dass auch Späne abgenommen wurden. Die Sache funktionierte, aber gleichzeitig wurde mir bewusst, was für Strapazen und Mühen die Menschen damals auf sich genommen haben.

Die Sechskantkronenmutter ganz rechts im Bild hat 20cm im Durchmesser !
Und das ist sie, die damals übliche Bohrmaschine…

Anschließend fuhren wir noch einmal in die hübsche kleine Innenstadt und Sabine wunderte sich über die Aufteilung der Straßen im Schachbrettmuster. Und ich wunderte mich über die schon fast abnormale Toleranz der Fußgänger gegenüber. (Doch das war nicht nur hier so, sondern überall! Auch in der 1,5 Mio. Stadt Vancouver (Stand 1995)

Von Revelstoke steigt der Highway 1 hinauf in die COLUMBIA MOUNTAINS. Diese Bergmassiv dehnt sich etwa an der Grenze zu den USA 600km weit nach Norden, parallel zu den weiter östlich liegenden ROCKY MOUNTAINS aus. Gletscher und Gebirgsbäche haben im Lauf der Jahrtausende charakteristische Täler in das alte metamorphe Gneis- und Schiefergestein gegraben. Bis heute ist die über 3000m hohe SIR DONALD RANGE die höchste Kette dieser abweisenden Gebirgsregion, nahezu unzugänglich. Allein die Eisenbahnlinie und der erst 1962 gebaute Trans-Canada-Highway durchschneiden die einsame Bergwildnis. Im Winter ist die Straße durch die extrem hohen Niederschläge (10m Schneefall sind normal) von Lawinen bedroht und muss öfters geschlossen werden.

Erst 1881 drang der erste Mensch in die auch von den Indianern gemiedene Bergwelt vor: Major A.B. Rogers suchte für die CANADIAN-PACIFIC-EISENBAHNGESELLSCHAFT nach dem Weg über die SELKIRK MOUNTAINS, das Herzstück der Columbias, und entdeckte jenen Pass, der nach ihm benannt wurde. Seither hat sich wenig geändert, und damit dies auch so bleibt, hat die kanadische Regierung zwei Nationalparks eingerichtet, durch die der Highway 1 führt. Der mit nur 260km² relativ kleine MOUNT REVELSTOKE NP wurde 1914 durch eine Initiative der Bewohner des nahen Revelstoke gegründet. Sehr empfehlenswert ist eine Fahrt auf der 26km langen Stichstraße zum Gipfel des 1938m hohen MNT. REVELSTOKE, auf dem man ein gut ausgebautes Netz von Wanderwegen findet. Während der Fahrt auf den Berg kann man sehr schön die verschiedenen Vegetationszonen der Columbia-Mountains verfolgen: Mischwald mit Nadelbäumen, Birken und Pappeln unten in den Tälern, ab 1200m dominieren Engelmann-Tannen und Fichten; auf 1600m erreicht man die subalpine Zone der Bergwiesen. Nur 3 Monate, von Mitte Juni bis September dauert hier der Sommer, doch in dieser zeit verwandeln über 100 Wildblumenarten die karge Gebirgswelt in ein buntes Farbenmeer. Wieder zurück im tal lernt man, ausgehend vom Giant-Cedar-Picknickplatz am TCH, eine völlig andere Vegetationszone kennen: Ein Fußweg verschafft Eintritt in den saftig grünen Columbia Regenwald mit hohen Farnen.

Einige Kilometer weiter östlich beginnt dann der CLACIER NATIONAL PARK.

Der schon 1868, kurz nach dem bau der Eisenbahnlinie gegründete Park umfasst 1350km² in den Selkirk Mountains. Seine Gletscher – über 140 – verhalfen ihm zu seinen Namen. (Stand 1995) Rund 12% des Gebietes sind vom ewigen Eis bedeckt. Wer sich von den häufigen Niederschlägen nicht abschrecken lässt – statistisch gesehen regnet oder schneit es am Westhang der Berge an zwei von drei Tagen -, dringt auf Wanderwegen (insgesamt 140km) tiefer in die grandiose Bergwelt ein. Vorsicht ist allerdings angebracht: Schwarzbären und sogar Grizzlys schätzen das Nahrungsangebot und die Einsamkeit des Parks und sind hier zahlreicher, als in anderen Regionen Kanadas.

Weiter auf dem TCH folgen wir dem Tal des ILLECILLEWAET RIVER stromaufwärts zur Passhöhe. Dort steht vor der Kulisse der steilen, bizarren Sir Donald Range ein Denkmal aus zwei gekreuzten Holzbögen, das an die Fertigstellung des Highway im Jahre 1962 erinnert. Die Eisenbahnlinie wurde nach zahllosen Lawinenunglücksfällen 1916 in einen 8km langen Tunnel unter den Pass verlegt. Im Besucherzentrum neben dem Denkmal sind eine Ausstellung und Filme über den Bau der Bahnlinie und der Straße zu sehen. Mehrere Überdachungen schützen den TCH auf seinem Weg vom Pass hinab ins Tal des BEAVER RIVER vor Lawinen. Die Betonfundamente am Straßenrand dienen der Kanadischen Armee im Winter als Standort für Geschütze, mit denen sie gefährliche Schneebretter abschießt, bevor sie unkontrolliert als Lawinen zu Tal gehen.

21.30Uhr. Wir erreichen GOLDEN (3800 Einw. Stand 1995) und haben wieder ein Super Motel gefunden. Es heißt SELKIRK INN und ist genauso teuer (oder günstig) wie in Penticton. Die Betten sind für eine Person mal wieder viel zu groß, das heißt, eigentlich kann man bequem mit 4 Personen in einem Raum schlafen. Hier haben wir dann auch zu Abend gegessen. Chicken Wings, was sonst? Die Portion sieht eigentlich nicht nach viel aus, macht aber doch satt. Und wenn man dies auf deutsche Verhältnisse überträgt, kann man hier doch sehr günstig essen. Wir sind jedenfalls pappsatt geworden. Und immer wieder wundere ich mich über die extreme Freundlichkeit der Menschen hier. Und dazu kommt noch, dass sie sehr hilfsbereit sind. Einen Wermutstropfen hatte das Ganze dann doch noch: Das Motel stand direkt neben einem Papier verarbeitenden Betrieb. Nun, wir haben den Geruch überlebt und schlecht geschlafen haben wir auch nicht.

Canada 1995.3

18.09.1995 Hotel Travellodge Vancouver Airport Hotel

Gleich nach dem Waschen und Zähneputzen (obligatorisch), beschlossen wir hier im Hotel zu frühstücken. Warum lange rum suchen, wenn man alles aus einer Hand bekommen konnte. Nun standen wir vor einem Schild worauf stand: Please wait tobe seated! Zum ersten mal schlugen uns die englischen (kanadischen) Umgangsformen direkt entgegen. Na gut! Wir warteten also bis eine Waitress (Kellnerin) kam, und uns einen Platz zuwies. Zuvor wurden wir allerdings noch gefragt, ob wir einen Tisch in der raucher- oder Nichtrauchersektion wünschten. Ist mir in Deutschland bis dahin noch nicht einmal vorgekommen. (Achtung: Stand 1995!) Wir setzten uns an einen Tisch bei den Non Smokern (Nichtrauchern) und studierten die Speisekarten. Auch hier gab es etwas Neues: Wie sollten wir herausfinden, um welche Speisen es sich handelte? Nun gut, es waren ja noch ein paar Bilder dabei. Ich entscheide mich für ein Kanadisches Frühstück, Sabine schloss sich an. Und wenn ich mich im Restaurant umsah – so ungefähr 80% der Anwesenden nahm es zu sich. Also das sind dann mal Two or Three eggs, Zwei oder drei Eier, any Style; Sunnyside up, Over easy or scrambled, Also einmal schön mit dem Eigelb oben, dann einmal umgedreht und einmal Rührei. Wir entscheiden uns für sunny side up, Bacon, das sind ausgelassene Speckstreifen, knusprig bis zum Geht nicht mehr, Hashbrowns – Bratkartoffeln oder Rösties, dazu Toast, weißer oder Vollkorn. Wir entschieden uns heute und auch an allen anderen Tagen für den Vollkorntoast, der kam unserem Mehrkornbrot am nähesten. Und weil man Toast ja nicht trocken essen kann, gab es dazu noch Jam Marmelade. Es kann aber auch marmelade geben und dann macht man die ersten Erfahrungen mit der bei den Engländern sehr beliebten Bitterorangenmarmelade. Pfui, Spinne!

Nach einer kleinen Wartezeit kam dann auch eine Waitress und nahm unsere Bestellung entgegen. Sie erinnerte mich ein wenig an die junge Janet Jackson und war sehr nett. Nur hatte ich mit ihr meine ersten Verständigungsschwierigkeiten, was die Hot Chocolate anging. Weiß der Teufel was da schief gelaufen ist, jedenfalls bekam ich dann doch noch das Richtige und alle waren zufrieden.

Gleich nach dem Waschen und Zähneputzen (obligatorisch), beschlossen wir hier im Hotel zu frühstücken. Warum lange rum suchen, wenn man alles aus einer Hand bekommen konnte. Nun standen wir vor einem Schild worauf stand: Please wait tobe seated! Zum ersten mal schlugen uns die englischen (kanadischen) Umgangsformen direkt entgegen. Na gut! Wir warteten also bis eine Waitress (Kellnerin) kam, und uns einen Platz zuwies. Zuvor wurden wir allerdings noch gefragt, ob wir einen Tisch in der raucher- oder Nichtrauchersektion wünschten. Ist mir in Deutschland bis dahin noch nicht einmal vorgekommen. (Achtung: Stand 1995!) Wir setzten uns an einen Tisch bei den Non Smokern (Nichtrauchern) und studierten die Speisekarten. Auch hier gab es etwas Neues: Wie sollten wir herausfinden, um welche Speisen es sich handelte? Nun gut, es waren ja noch ein paar Bilder dabei. Ich entscheide mich für ein Kanadisches Frühstück, Sabine schloss sich an. Und wenn ich mich im Restaurant umsah – so ungefähr 80% der Anwesenden nahm es zu sich. Also das sind dann mal Two or Three eggs, Zwei oder drei Eier, any Style; Sunnyside up, Over easy or scrambled, Also einmal schön mit dem Eigelb oben, dann einmal umgedreht und einmal Rührei. Wir entscheiden uns für sunny side up, Bacon, das sind ausgelassene Speckstreifen, knusprig bis zum Geht nicht mehr, Hashbrowns – Bratkartoffeln oder Rösties, dazu Toast, weißer oder Vollkorn. Wir entschieden uns heute und auch an allen anderen Tagen für den Vollkorntoast, der kam unserem Mehrkornbrot am nähesten. Und weil man Toast ja nicht trocken essen kann, gab es dazu noch Jam Marmelade. Es kann aber auch marmelade geben und dann macht man die ersten Erfahrungen mit der bei den Engländern sehr beliebten Bitterorangenmarmelade. Pfui, Spinne!

Nach einer kleinen Wartezeit kam dann auch eine Waitress und nahm unsere Bestellung entgegen. Sie erinnerte mich ein wenig an die junge Janet Jackson und war sehr nett. Nur hatte ich mit ihr meine ersten Verständigungsschwierigkeiten, was die Hot Chocolate anging. Weiß der Teufel was da schief gelaufen ist, jedenfalls bekam ich dann doch noch das Richtige und alle waren zufrieden.

Endlich jedoch, nachdem ich einen der Bediensteten fragen konnte, wie man die Rückspiegel verstellt (!), und Sabine ihre endgültige Fahrposition gefunden hatte, ging es los.

Die freundliche Dame bei der Tourist-Information am Flughafen hatte uns zwar einige Straßenkarten gegeben, und uns auch erklärt, wie wir aus Vancouver heraus kommen würden, doch Sabine gab mir, dem schlechtesten Kartenleser aller Zeiten, die ganze Schuld, als wir uns das erste mal verfuhren. Irgendwie sind wir dann, nach einigem Gezanke doch wieder auf der richtigen Straße gelandet und fuhren ohne Zwischenfälle Richtung Abbotsford.

Dieser Ort hat 14.500 Einwohner und hat sich landesweit durch die Flugtage der „International Airshow“ einen Namen gemacht. Abbotsford ist ansonsten weniger spektakulär. Einige Farmen und lebensmittelverarbeitende Betriebe können besichtigt werden, und an der Uge Road südlich des Highway 1, ist eine Forellenzuchtanlage für Besucher geöffnet.

Der Trans-Canada-Highway verläuft nun näher am Fraser River. Das Tal verengt sich, die oft bis ins Frühjahr schneebedeckten Coast Mountains rücken enger zusammen und ragen beiderseits der flachen Talsohle über 800m hoch auf. Nach rund 45 Kilometern liegen östlich des Ortes CHILLYWACK am Fuß der Berge die MINTER GARDENS, ein über 10ha großer botanischer Garten. Besonders sehenswert ist die Rhododendronblüte im Frühjahr, doch irgendwie verpassen wir diesen Garten Eden. Am Ostende des LOWER FRASER VALLEY liegt Hope (3100 Einw. Stand 1995) das mal der Stützpunkt der Pelzhändler der Hudson Bay Company war. Zur Goldgräberzeit um 1860 war der Posten der Endpunkt der Flussschifffahrt auf dem Fraser River und der Name Hope schien richtig gewählt: Nur wenige Kilometer nördlich des Ortes beginnt der enge und gefährliche Canyon des Fraser River, und die frühen Pioniere brauchten eine gehörige Portion „Hoffnung“, um sich auf den Bergpfaden am Rande der Schlucht stromaufwärts ins Landesinnere durchzuschlagen. Die kleine Ausstellung im kleinen HOPE HISTORICAL MUSEUM veranschaulicht jene Zeit der Trapper und Goldsucher. Heute ist der Ort ein Verkehrsknotenpunkt am Trans-Canada-Highway, kurz TCH, und ein beliebter Ausgangspunkt für Wanderer, die von hier zu den zahlreichen Seen in den umliegenden Bergen aufbrechen. Zu Filmruhm kam das Städtchen 1981 als sich Sylvester Stallone bei den Dreharbeiten zu „Rambo“ durch die sonst verschlafenen Straßen schoss.

Am Ortsrand von Hope zweigt der Hwy.3 nach Osten ab und klettert im Tal des NICOLUM CREEK hinauf in die geologisch noch sehr jungen CASCADE MOUNTAINS. Hier liegt der nördlichste Teil der vorwiegend in den USA-Staaten Washington und Oregon verlaufenden Bergkette, deren vulkanischer Ursprung erst vor einigen Jahren durch den Ausbruch des MOUNT ST. HELENS wieder verdeutlicht wurde. Tiefe Douglasien- und Hemlocktannenwälder säumen den Highway; im Frühjahr würde im Unterholz wilder Rhododendron blühen.

Wir fahren jedoch an Hope vorbei, immer schön 100 km/h mit Hilfe des Tempomaten. Und Sabine versichert mir immer wieder, was das doch für ein entspanntes Fahren ist. Und mit dem Ford ist sie auch mehr als zufrieden. Nach etwa 35 Kilometern erreichen wir den HOPE SLIDE: Am 9. Januar 1965 donnerten in einem gewaltigen Erdrutsch 46 Mio. m³ Gestein zu Tal und verschütteten das Bachbett und den Highway bis zu 80m hoch. Von der neuen Straße aus, die 45m über der ehemaligen Talsohle verläuft, kann man links am Berghang noch deutlich die kahlen, vom Bergrutsch glattgeschliffenen Felsen sehen. Am ALLISON PASS (1352m) überquert der Hwy.3 im MANNING PROVINCIAL PARK den Grat der Coast Mountains.

Der 714 km² große Park ist ein noch weithehend unberührtes Wildnisgebiet mit zahlreichen Seen, Wasserfällen und spektakulären Ausblicken von den Berggipfeln. Rehe, Stachelschweine und Schwarzbären kann man häufig beobachten, zudem wurden bereits 160 Vogelarten gesichtet. (Wir bekamen jedoch weder das Eine noch das Andere zu Gesicht). Der Park ist bekannt für seine ausgezeichneten Wandermöglichkeiten. (Diese zu erkunden genehmigten wir uns allerdings erst im Jahre 2019 !) Der Hwy.3 folgt nun dem Tal des SIMIKAMEEN RIVER aus dem Park heraus und über PRINCETON in die warme, sonnige Region östlich der Berge. In diesem Ort stoppt Sabine zum ersten mal. Wir steigen aus dem Auto und flanieren über die einzige vorhandene Straße. Die Häuser muteten wie aus einem guten Westernfilm an; Sabine fühlt e sich, als hätte uns das Flugzeug ins 19. Jahrhundert zurück geflogen. Unter anderem gab es auch eine Sonntagsschule. So etwas war uns nur aus den Huckleberry Finn Filmen bekannt. So klein und unscheinbar dieser Ort auch war, beim Anblick des örtlichen Supermarktes

gingen uns die Augen über: So etwas Riesiges hatten wir noch nie gesehen! (Dass dieser Supermarkt allerdings noch ziemlich klein war, sollten wir später noch herausfinden). Man muss sich das vorstellen: In den regalen Größen von 2l Gebinden Senf, 3-5l Ahornsirup, 2-5l Speiseeis usw. Kochschinken in 5-10Kg Verpackungen. Und Puter (Turkey), so gewaltig, so einen großen Herd kannten wir nicht, wo der rein passen könnte. Einfach irre!

Immer noch von solchen Eindrücken übermannt fahren wir weiter und bemerken kaum, dass die dichten Wälder einer kargen Steppenvegetation Platz gemacht hat, ehe bei KEREMEOS (900 Einw.) die ersten Pfirsichplantagen und Obststände am Straßenrand auftauchen. Die historische GRIST MILL des Ortes, eine restaurierte Getreidemühle, zeigt, was die Pionierfarmer dieser region einst anbauten. Noch einige wüstenhaft braune Hügel, dann erreichen wir das von einer langgezogenen Seenkette geprägte OKANAGAN VALLEY, eine extrem trockene, sonnige Region. Sie ist der nördlichste Ausläufer des nordamerikanischen Wüstengürtels, der von Nevada bis in den Süden von British-Columbia reicht Nur etw 40cm Niederschläge fallen hier im Regenschatten der Berge pro Jahr; Sommertemperaturen bis 35° C sind normal. Das gesunde Klima und die milden Winter machen besonders den Süden des rund 200km langen Tales zu einem bevorzugtem Altersruhesitz. Seit es durch die schnelle Autobahn mit Vancouver verbunden ist, wächst auch seine Beliebtheit bei Kurzurlaubern. Die natürliche Vegetation entspricht dem ariden Klima: Ponderosa Kiefern und das typische Wüstengewächs SAGEBRUSH, eine Salbeiart, dominieren die Hügel. Auf den bewässerten fruchtbaren Böden gedeihen in großen Plantagen Pfirsiche, Äpfel und Wein. Sie haben dem Tal den Beinamen „Obstgarten Kanadas“ eingetragen.

OSOYOOS (3400Einw.) liegt am Südende des Okanagan Valley auf einer Halbinsel im Osoyoos Lake. Das in seiner Lage und Architektur spanisch-mediteran anmutende Ferienstädtchen rühmt sich des wärmsten Klimas in ganz Kanada.

Ein kräftiger Sonnenbrand an den 19km langen Sandstränden um den Ort, z. B. HAYNES POINT PROVINZIAL PARK – und man wird dem zustimmen. Auf den steppenartig braunen Hügeln der OSOYOOS ECOLOGICAL RESERVE, rund 8km nördlich des Ortes, wachsen sogar Kakteen – eine Rarität in Kanada.

Vorbei an großen Obstgärten geht unsere fahrt, man folgt dem Hwy.97 durch das Okanagan valley nach Norden, fast durchgehend am Ufer immer neuer langgezogener Seen. Im Mai sind die Hänge ringsum in eine weißrosa Blütenpracht der Pfirsich- und Apfelbäume getaucht – ein besonderes Reiseerlebnis. Vom Aussichtspunkt hoch über dem SKAHA LAKE (eine indianische Bezeichnung, die „Hundesee“ bedeutet) reicht der Blick weit über den See und die braunen Hügel bis zu der von sandigen Stränden gesäumten Landenge zwischen Skaha Lake und Okanagan Lake – Hier liegt die Stadt PENTICTON (27.200 Einw.), das Zentrum der größten Obstanbauregion im Okanagan Tal. Es ist 18.00 Uhr als wir in den Ort einfahren. Wir werden sofort von einer Schilderflut, die links und rechts am Straßenrand stehen, erschlagen. Jeder und Alles warb für sein Motel, Restaurant, Werkstatt und was weiß ich noch alles. Wir fuhren einmal die Hauptstraße durch und dann wieder zurück.

Das Restaurant, welches sich unserer Wahl stellen musste, hieß BOSTON PIZZA. Wir hatten langsam Hunger bekommen. Sabine bestellte sich einen Salat und ich mir zum ersten Mal „two orders of chicken wings“. Also eine doppelte Portion. Ganze 18 Stück und natürlich HOT. Noch während der nächsten Minuten, wo uns zwei mit Eiswürfeln bestückte und gefüllte Wassergläser hingestellt wurden, überlege ich, ob meine Entscheidung richtig war. Kurze Zeit später bekomme ich meine Portion und mache erst einmal einen herzhaften Biss in die knusprigen Dinger, da begreife ich schlagartig die Bedeutung der großen Eiswassergläser: Es reicht gerade um den ersten Brand zu löschen. So viel Bier hätte ich auch gar nicht trinken können. Apropos Bier: In diesem Restaurant bestellte ich mir das erste gezapfte kanadische Bier. Es schmeckte wie ALDIs Sterbehilfe und zum ersten mal vermisse ich den Geschmack des Deutschen Reinheitsgebotes. Trotz Allem genießen wir noch eine Weile die Atmosphäre in diesem Lokal bevor wir weiter fuhren.

Während der fahrt dachte ich an THOMAS ELLIS, dem Gründer der Stadt, der hier 1874 die ersten Obstkulturen anlegte. Mehr und mehr Siedler ließen sich nieder und verwandelten diese Region in einen blühenden Garten. Aprikosen und Pfirsiche sind heute die wichtigsten Produkte, doch seit einigen Jahren setzt man auch auf den Weinbau. Es wird zwar noch einige Zeit dauern, bis Spitzenqualitäten erreicht werden, doch als gute Tafelweine erfahren die Okanagan Tröpfchen bereits einige Beachtung.

Langsam wird es dunkel und wir sind auf der Suche nach einem Motel. Wurden wir in Penticton noch von Werbeschildern für diese Unterkünfte erschlagen, so fanden wir danach selten welche.

Sabine wurde langsam müde und wollte gerechterweise endlich ins Bett. Wir fuhren vorbei an den Obstständen auf der Westseite des 107km langen Okanagan Lake weiter. Die kleinen Ferienorte am Hwy.97 tragen so typische Namen wie SUMMERLAND und PEACHLAND, über eine schwimmende, rund 1,5km lange Betonbrücke (Hohlräume halten sie über Wasser) führt die Straße auf das Ostufer des Sees zur größten Stadt der Region. Und dort wurden wir nach 68km Fahrt endlich fündig. KELOWNA (76.000 Einw.) heißt der Ort und es ist für uns die erste Nacht in einem Motel nach Vancouver. Zirka 70 DM hat sie uns gekostet. Aber das war schon ein Luxus! Einen eigenen Kühlschrank hatten wir, eine kleine Küche (Kitchenette nennen die das) und sogar mit Geschirr. Zwischenbemerkung: In Kanada scheinen alle Betten aus zwei übereinander liegenden ca. 25cm dicken Matratzen zu bestehen. Ich habe jedenfalls noch kein Bett mit einem vernünftigen Lattenrost gesehen, geschweige denn, darauf gelegen.

Es ist 20.30 Uhr. Ich liege endlich in einem Bett und lasse noch einmal den Rest des Tages an mir vorbei ziehen. Landschaftlich gesehen meinte Sabine, könnten wir genauso durch das Bayerische Land fahren. Fast würde ich ihr Recht geben, wären die Berghänge nicht so kahl. Etwa zwischen 15. und 16.00 Uhr machten wir kurz hinter Keremeos auf einem kleinen Parkplatz eine kurze Pause. Zufällig bemerkten wir wie ein offensichtlich angetrunkener Mann aus einem Arbeitsfahrzeug ausstieg und in unsere Richtung lief. Sekunden später stoppte an der gleichen Stelle ein Polizeiauto, ein Beamter (oder eine Beamtin, ganz einig sind Sabine und ich uns heute noch nicht darüber) springt aus dem Auto und ruft den Mann an, er möge stehen bleiben. Mir liegt das scharfe „STAY HERE! STAY HERE!“ heute noch in den Ohren. Doch der Mann zögert noch. Erst als die Beamtin (oder der Beamte) zur Pistole greift und gut sichtbar im Anschlag hält, bleibt er stehen. Anschließend wurde er in Handschellen abgeführt (!) und der inzwischen angeforderte Abschleppwagen fuhr mit dem Arbeitswagen von dannen. Das Ganze hatte keine fünf Minuten gedauert. Einen Vergleich zu unserer Polizei will ich da gar nicht erst anstellen. Oh, Kanada, dachte ich, das fängt ja gut an. Zum Schluss noch ein Wort zu Kelowna: Es ist das Zentrum des größten Apfelanbaugebietes Kanadas. Noch vor 15 Jahren (Stand 1995) war es ein reines Landwirtschaftsstädtchen. Neuerdings hat es sich durch seine schönene Badestrände und die guten Wassersportmöglichkeiten zum beliebten Tourismuszentrum entwickelt. Das waren meine letzten Gedanken, bevor mir endgültig die Augen zu fielen.

CANADA 1995.2

17.09.1995 Flughafen Hamburg Fuhlsbüttel /Flughafen Frankfurt / Flughafen Vancouver

Vancouver Travellodge Hotel

Wir sind kurz vor dem Einchecken. Ich lasse noch einmal alles an mir vorüberziehen, was wir bisher hinter uns gelassen haben. So schnell verging die Zeit: Das Buchen des Mietwagens in einem Eckernförder Reisebüro, unser Motel für die erste Nacht. Der Abend zuvor, wo Sabine die Koffer mit der ihr eigenen Sorgfalt packte. Und zuletzt die Fahrt mit Wiebke, Sabines Schwester und deren Mann Hans-Jürgen, die uns zum Flughafen nach Hamburg brachten. Alles war jetzt neu und ungewohnt. Ich war noch niemals auf einem Flughafen, Sabine auch nicht. Was sollten wir denn nun zuerst tun? Doch Hans-Jürgen, der Vielflieger, stand uns mit Rat und tat zur Seite, alles ging reibungslos über die Bühne.

Nachdem wir die Koffer aufgegeben und eingecheckt hatten gingen wir zusammen noch ein wenig in den Gängen und Hallen umher und ich ärgerte mich daß man, wenn man den Flugbetrieb beobachten wollte, immer in ein Gaststättenrefugium treten, und somit bezahlen musste. Die zeit rauschte nur so dahin und wir waren, nachdem wir uns von Wiebke und Hans-Jürgen verabschiedet hatten und nach einigen Kontrollen, die ich mir eigentlich schärfer vorgestellt hatte, im Inland-Terminal auf uns allein gestellt.

Ich hatte wieder zu meiner Rhe zurück gefunden, während Sabine nichts anderes zu tun hatte, als sich etwas Essbares zwischen die Lippen zu schieben. Vielleicht dachte sie aber auch; Futter beruhigt…

Da saßen wir nun und warteten auf unseren Flug nach Frankfurt. Wir sollten zum ersten Mal fliegen. Freute ich mich darauf? Vielleicht mit gemischten Gefühlen. Jedenfalls konnte ich mich noch darauf einstimmen – der Flug hatte 20 Minuten Verspätung. Uns war das egal. Wenn ich mal nicht über diesen ersten Flug nachdachte hatte ich zumindest genügend zeit mir aus den großen Fenstern den Flughafenbetrieb anzusehen.

Dann rollte unser Airbus zur Gangway und er wirkte auf mich enttäuschend klein!

Durch die für uns zutreffende Durchsage wurde ich aus meinen Gedanken gerissen und wir begaben uns mit unseren Bordkarten in der Hand auf den Weg zum Flugzeug. Und drinnen in der Röhre wurden meine Befürchtungen Wirklichkeit: Es war furchtbar eng! Später sollte sich dann feststellen, dass der kleine Airbus mehr Platz bereit stellte, als der riesige Jumbo! Sabine und ich verstauten unser Handgepäck in den oberen Staufächern und schnallten uns sogleich an, obwohl bis zum Start noch einige Zeit vergehen sollte…

Dann endlich war es soweit: Langsam rollte der Airbus zur Startbahn, dann stand er einige Zeit still – bis die Freigabe zum Start erfolgte. Es gab einen Höllenlärm als wir vom Boden abhoben und ich hoffte inständig, es würde nicht so bleiben.

Sabine war war jetzt völlig aufgeregt… Sie drückte meine Hand ganz fest und sagte immer nur:

„Wir fliegen! Zum ersten mal fliegen wir!“

Was sollten wir auch sonst tun, ich empfand das Ganze nun nicht so spektakulär wie ich es mir ausgemalt hatte.

Kaum 45 Minuten später landeten wir schon in Frankfurt. Hier kam zum zweiten Mal leichter Stress auf. So viele Menschen wuselten hier herum. So viele Nationalitäten, Hautfarben.Wohl gefühlt habe ich mich bei so etwas noch nie. Wir checkten uns erneut ein und schleusten uns an den vielen Menschentrauben vorbei in freiere Gefilde, wo man einigermaßen gut atmen konnte. Hier ging dann auch die Abfertigung zügiger voran.

Wieder befanden wir uns nach den Kontrollen und Durchleuchtungen im Inland Terminal und ich nutzte die Zeit einige Fotos vom Flugbetrieb zu schießen.

Unter anderem fotografierte ich auch „unsere“ B 747, die gerade beladen wurde und in Sichtweite stand. Sabines Interesse galt währenddessen einem Porsche, der ebenfalls in unserem Flugzeug verstaut werden sollte, und interessiert verfolgte sie die „Prozedur“ der Verladung.

Mittlerweile hatte sich der Warteraum mit einer Menge von Menschen angefüllt. Irgendwann wurde unser Flug aufgerufen, wir folgten erst einmal den anderen Fluggästen zur Gangway und bei unserer Sitzreihe angekommen, mussten wir feststellen, dass es noch enger war, als befürchtet. Ich konnte mich kaum mit dem Gedanken abfinden, jetzt noch 9 Stunden hier gefangen zu sein. Nach einer kleinen Ewigkeit rollten wir endlich zur Startbahn. 14.15 Uhr sollten wir eigentlich starten, doch jetzt mussten wir noch auf 5 (!) weitere Kunden vor uns warten. Langweilig war es nicht, ist es doch immer wieder interessant, wenn so ein schwerer Vogel abhebt und in den Wolken verschwindet.

So kamen wir erst gegen 15.00 Uhr in den Himmel.

Gleich zu Anfang erklärten uns die Stewardessen zu einer unsichtbaren Stimme die Sicherheitsvorkehrungen. Ich konnte es mir nicht verkneifen, die beiden frauen da vor uns mit den Assistentinnen von Goudaquassler Harry Whinfoort zu vergleichen. Das Ganze hatte eine Anmutung von „Der Preis ist heiß“. Ich hatte echt das Gefühl, die wollten uns den hauptgewinn, die Schwimmwesten, anpreisen.

Übrigens bemerkte ich bei diesem Start eine wesentlich angenehmere Verteilung der Schubkraft, als beim Airbus. Muss wohl an der Größe des Vogels liegen.

Langsam wurde mir die ganze Tragweite der engen Platzverhältnisse klar. Meine Beine hatten kaum Platz in den Sitzreihen, ein Ausstrecken war gänzlich unmöglich. Und je länger der Flug dauerte, desto weniger konnte ich entspannt sitzen. Das im Bordkino Filme zu sehen waren, die bei uns noch nicht einmal im Kino liefen, trug auch nicht dazu bei meine Laune zu verbessern. Zumal ich (!) einen defekten (!) Kopfhörer abbekommen hatte.

Es blieb mir nichts anderes möglich, als mich in mein Schicksal zu fügen und so schaute ich stundenlang nur aus dem kleinen Bullauge und versuchte während des ganzen Fluges einige Luftaufnahmen zu machen. Immerhin waren wir fast 10.000 Meter hoch (!) Leider verhüllten die meiste Zeit Wolken die Aussicht auf das, was ich gern gesehen hätte. Nichtsdestotrotz, diese Wolkenformationen hatten auch irgendwie ihren Reiz. Manchmal hatte ich den Wunsch, einfach aussteigen zu wollen, um es mir dann in diesen nach Watte aussehenden Gebilden gemütlich zu machen.

Hier oben war es wirklich so schön, es schien andauernd die Sonne. Als wir über Grönland flogen, gelangen mir zwei lächerliche Bilder, ansonsten lag die Insel wie auch die riesige Hudson Bay und auch das Nordwest-Territorium unter einer dichten Wolkendecke. Hin und wieder riss aber doch mal die Watteschicht auf und gab dann die Blicke preis auf ein unwirtliches Gelände. Von hier oben sah es so aus, als könnten dort weder Mensch noch Tier leben: Eine braun weiß gefleckte Mondlandschaft. Dann wiederum sah man ganze Gebirgszüge aus dem Schnee heraus schauen, die dann im nächsten Moment in noch größere Wolkenfelder verschwand.

Aber dann: rechtzeitig über den Rocky Mountains riss die Wolkendecke auf und präsentierte uns eine einmalige Gebirgslandschaft. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Vor mir bis zum Horizont nur Berge! Ich fotografierte wie ein besessener. Es war ein tolles Erlebnis. Überall lagen die vielen Bergseen wie kleine Smaragde in den gewaltigen Bergzügen. Von hier oben konnte man aber auch etwas anderes überdeutlich sehen: Die Wälder sahen an vielen Stellen aus wie riesige Flickenteppiche. Überall war Kahlschlag zu erkennen. Wie schrecklich musste es erst da unten in Natura, Live und in Farbe aussehen? Doch auch Flächen die neu aufgeforstet waren konnte man erkennen. Ich fotografierte, was mir vor die Linse kam und ich freute mich wahnsinnig auf die Landung. Ich konnte einfach nicht mehr sitzen und war dementsprechend ziemlich gereizt.

Um 16.00 Uhr Ortszeit landeten wir in Vancouver. In Loose war es jetzt 1.00 Uhr nachts. Die Zeitverschiebung bringt es mit sich. Ist aber auch komisch wenn man so einen langen Weg hinter sich hat. Es wird spät und später und es wird einfach nicht dunkel.

Zum Auschecken mussten wir zunächst einen sehr langen gang gehen, man konnte in mehreren verschiedenen Sprachen, auch in Deutsch, vernehmen, wo wir unsere Koffer abholen konnten. Doch noch war es nicht soweit. Zunächst standen wir in einer sehr langen Schlange vor den Einreisebeamten, die immer alles genau wissen wollten. Schließlich hat hier alles seine Ordnung in British-Columbia. Ich machte mir darum weiter keine Gedanken. Sabine erinnerte sich daran, was udo uns erzählte; von wegen einzeln vortreten, natürlich erst nach Aufforderung usw. usw. Während Sabine also mit solchen Gedanken beschäftigt war, schaute ich mir den Betrieb vor den Schaltern an: Wer allein war, stellte sich auch allein an; war man zu zweit, trat man auch zu zweit vor den Emigration-Officer. So taten wir es dann auch, gaben brav unsere Reisepässe ab und Sabine erklärte dem Officer warum wir hier waren, wie lange und wann wir wieder abfliegen würden. Dieser lächelte nur kurz und schon waren wir durch. Wozu also die ganze Aufregung? Ziemlich erleichtert gingen wir zu unserem Laufband und holten unsere Koffer ab. Anschließend suchten wir den Ausgang.

So, da standen wir nun am EXIT und wussten zunächst nicht mehr weiter. Wo sollte der Shuttlebus halten der uns zum Hotel brachte? Auf einem Mal stürzten über uns Fragen über Fragen ein, aber keine Antworten. Ich hielt es daher erst einmal für richtig die ganze Sache zu beobachten. Es kamen zwar jede Menge Kleinbusse verschiedener Hotels und Motels vorbei, doch keiner trug die Aufschrift „TRAVELLODGE“. Sabine wurde langsam ungeduldig und reagierte leicht panisch. So fragte ich eine eben angekommene Busfahrerin nach dem Eintreffen des vorgenannten Busses. Sie war ziemlich kurz angebunden und so viel ich mitbekommen hatte, sollte ich hier ruhig warten, der Bus würde schon noch kommen. Man muss sich das mal vorstellen: Wir kamen in ein Land, wo nicht unsere Muttersprache gesprochen wurde und zum ersten mal mobilisiert man seine noch vorhandenen Englischkenntnisse (Jetzt endlich wusste ich, warum ich im Englisch doch besser hätte aufpassen sollen. Doch dies sollte sich später noch völlig ändern.

Eine halbe Stunde war vergangen, und endlich tauchte unser Bus auf. Naja, Bus war wohl etwas übertrieben. Doch wir freuten uns, dass er da war und uns zu unserem Nachtquartier brachte. Ja, aber was kam dann?

An der Rezeption händigte man uns keine Schlüssel für das Zimmer aus, sondern eine Art Scheckkarte. Das war neu für uns. Und so hatten wir auch anfangs einige Probleme damit. Aber auch diese wurden gelöst und wir standen in einem relativ großzügigem Raum. Riesige Betten beherrschten den größten Teil. Ansonsten sah es eben wie in einem Hotelzimmer aus. Nach einer kurzen Inspektion zogen wir es vor, erst einmal zu duschen, damit unsere Lebensgeister wieder zurückkehren konnten. Anschließend zogen wir los, um unsere nähere Umgebung zu erkunden. Was mich nur ein wenig nervte, war der Umstand, keine Stadt- oder Straßenkarte von Vancouver dabei zu haben. Wir wussten überhaupt nicht wo wir uns befanden.

Wir gingen einige Haupt- und Nebenstraßen entlang und staunten über die vielen teilweise großzügig aber immer im selben Stil gebauten Wohnhäuser. Sie wurden zum größten Teil von Asiaten benutzt. Was das bedeutete, sollte ich später fast schon schmerzlich erfahren. Vor den Häusern, von denen ich nicht wusste, wie sie gebaut wurden, standen dann auch die Objekte meiner „Begierde“. Autos! Riesige Karossen, die zum Teil bei uns niemals durch den TÜV kommen würden. Aber hier ticken die Uhren anders und auch das Autofahren hat hier eine völlig andere Bedeutung: Hauptsache das Ding LÄUFT! Später sollte Sabine und mich der Anblick der vielen Buicks und anderen Straßenkreuzern nicht mehr aus der Fassung bringen. Es war einfach schon normal geworden.

Nach dem Spaziergang, bei dem wir uns mit einigen Kleinigkeiten versorgten, unter anderem mit Kokoskeksen – absolut cholesterinfrei und einen kleinen Kanister Kakao mit 2% Fett. Tja, hier ist alles ein wenig anders; zogen wir es dann doch vor ins Bett zu verschwinden. Müde schloss ich meine Augen, um genau um 2.00 Uhr schon wieder aufzuwachen. Ich war einfach zu aufgeregt wegen des zurückliegenden Fluges. Und auf das was uns morgen wohl erwartete – wenn wir unser Auto abholen.

Canada 1995

Um das erste Mal in meinem Leben zu fliegen musste ich 35 Jahre alt werden…

Bis dato dachte ich noch daran, in der Heimat ist es doch am schönsten… oder warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah… Scheiße was, danach war nichts mehr so wie es war…

Vorwort

Das zweitgrößte Land der Erde macht weniger politische Schlagzeilen als manche Bananenrepublik. In erstaunlicher Harmonie leben Inuit, Indianer und Nachkommen europäischer und asiatischer Einwanderer miteinander.

Dieses war meine Sichtweise im Jahre 1995. Doch so rosig sah das alles nicht aus. Ich sollte mir noch viele Gedanken machen zu einem Land, welches erst jetzt, kurz nach dem 150 Geburtstag, ja so jung ist das Land noch, so richtig zu einer Einheit zu finden sucht…

Die Bilder zu dieser Reise, die drei Wochen dauerte, sind analog entstanden, ja auch bearbeitet, natürlich, und es war in einer Zeit, wo ich mir noch lange nicht sicher war, ob die Bilder auch heil wieder in Deutschland ankamen. Den Filmen wurden Röntgenstrahlen ausgesetzt, heftige Temperaturunterschiede und und und… Bei einer Reise ist es dann auch passiert: Sämtliche Filme die ich belichtete, ausgerechnet der Yellowstone National Park, waren am Ende dermaßen blaustichig, dass ich nur mit Mühe und Photoshop alles wieder richten konnte. Doch das ist eine völlig andere Geschichte.

Es dauert, scheint’s, alles etwas länger in Kanada. Zum Beispiel: 1931 erhielt das Land auch nominell seine staatliche Unabhängigkeit im Britischen Commonwealth. Eine kanadische Staatsbürgerschaft gibt es aber erst seit 1947. Die neue Nationalflagge weht erst seit 1965 über der Hauptstadt Ottawa und die geltende Verfassung stammt aus dem Jahre 1982. Offenbar geht man’s gerne ruhig an in Kanada, gelassen. Ein sympathisches Land.

Den Nachbarn im Süden, die USA, findet man da, – bei aller Liebe, manchmal auch Hassliebe – zu hektisch, zu schrill, zu laut. Britisch unterkühlt ist man, oder französisch-rational. Das Lauteste in Kanada seit vielen Jahren: Im März 1995 bringt die Küstenwache einen spanischen Trawler wegen illegalen Fischfangs auf – Streit mit der EU um die Fangquoten vor Neufundland. Und: im Oktober 1995 schrammen die Separatisten der francokanadischen Profinz Quebec, die eine eigene Fahne, eigene Steuern und Gesetze fordern, in einem Referendum zum zweiten Mal knapp am Wahlerfolg vorbei. Beide Ereignisse schrecken die Weltöffentlichkeit nicht gerade auf.

Bescheidenheit und Zurückhaltung, sie ehren die rund 28 Millionen Kanadier (Stand 1995) um so mehr, als das ihr Land fast zehn Millionen Quadratkilometer zählt (nach Russland das zweitgrößte Land der Erde) und in der Weite seiner zehn selbst verwalteten Provinzen und zwei Territorien (Stand 1995) immer wieder über an Wunder grenzende Naturschönheiten verfügt – vor allem der stillen Art, versteht sich. Immerhin 15 Millionen Touristen (Stand 1995) kommen im Jahr ins Land. Niagara, den berühmtesten Wasserfall, und den mit 3769 Kilometern längsten Seeschiffahrtskanal der Welt, den St. Lorenz Strom, teilen sie sich mit den USA.

Groß das Land, 5514Kilometer von Ost nach West, aber keine Großmannsallüren: Nicht ein Furchterregendes Tier wie Bär oder Adler ziert das Wappen, sondern – ein Ahornblatt. Und die ROYAL CANADIAN MOUNTED POLICE, die berittenen Rotröcke mit dem breitkrempigen Hut, königlich, weil das Staatsoberhaupt der KING oder die QUEEN in London war und ist – diese Polizei kommt tatsächlich als Freund und Helfer. Autorität, aber nicht autoritär, war auch schon ihre Vorgängerin, die NORTH WEST MOUNTED POLICE, seit ihrer Gründung vor mehr als 148 Jahren (Stand 2021). Sioux Häuptling Sitting Bull stellte sich vertrauensvoll unter den Schutz dieser Truppe, als er nach dem Gefecht gegen US_General Custer am Little Big Horn 1876 nach Kanada floh.

Die europäischen Vorfahren der Kanadier, vorwiegend Franzosen und Engländer, waren ja auch nicht als Eroberer ins Land, sondern als Fischer an die im 16. Jahrhundert noch ertragreichen Küsten Neufundlands gekommen. Ausgerechnet die Mode in der Alten Welt machte es möglich, dass der weiße und der rote Mann, nachdem sie sich erst einmal begegnet waren und Geschenke, darunter kanadische Tierfelle, ausgetauscht hatten, per Pelz zu Partnern wurden, zu Handelspartnern: In Europa, wo nur der Adel Jagdrechte besaß, brauchte man auf’s dringlichste Tierfelle als Winterkleidung und für die Herstellung der gerade kreierten Filzhut-Mode.

Nicht Siedler und Soldaten also, sondern Händler und Höker zogen als erste zu den Indianern im Westen, und ihren größten Landgewinn machten die späteren östlichen Provinzen ganz friedlich, als sie 1870 der Hudson’s Bay Handelsgesellschaft ihren riesigen Marktbereich im Norden, jenseits des 60. Breitengrades, abkauften und damit das Staatsgebiet verdreifachten. Das partnerschaftliche Verhältnis aber blieb über die Jahrhunderte erhalten. Und das gilt bis heute auch für die anderen Bevölkerungsgruppen. Denn Minderheiten, könnte man sagen, sind sie alle. Ein Drittel der Einwohner haben britische, ein Viertel französische, jeweils ein knappes Fünftel andere europäische oder asiatische Vorfahren und zirka drei Prozent stammen ursprünglich aus Afrika. Sie alle leben mit den Nachkommen der Ureinwohner, 350.000 Indianern und 28.000 Inuit, nachbarschaftlich zusammen. Was für ein liebenswertes Land.

Text Stand 1995. Natürlich hat sich jetzt in den letzten 26 Jahren einiges geändert, aber dazu komme ich im Laufe der Geschichte, die nun erzählt wird noch genauer…

Wir reisten auf der „Klassischen Tour“ die wohl jedes „Greenhorn“ anwendet, wenn man das erste Mal in West-Kanada ist. Beginnend von VANCOUVER über die COAST MOUNTAINS, durchs OKANAGAN VALLEY in die ROCKY MOUNTAINS nach BANFF und JASPER. Zurück über den YELLOWHEAD HIGHWAY wieder durch die Coast Mountains nach VANCOUVER ISLAND. Dort von der Horseshoe Bay über ALBERNI nach TOFINO und UCLUELET und zurück nach Vancouver. Das ist in drei Wochen zu schaffen. Doch der wahre Schatz dieses Landes liegt nicht in der Kilometerfresserei, sondern ganz woanders…

VORGESCHICHTE

Wieder einmal saß ich über den Teilen meines alten Motorrades und grübelte über eine möglichst günstige Realisierung der Restauration. Ein Schmuckstück sollte sie wieder werden – nach fast 100.000 Kilometern gemeinsamer Fahrt. Wind und Wetter hatten in dieser Zeit ihre Spuren hinterlassen und so war eine Totalüberholung fällig geworden. Der große Motor stand schon fertig montiert im Keller, der Rahmen war frisch lackiert und wartete darauf mit dem Motor verheiratet zu werden. Wir, d.h. mein Freund Sönke und ich, konnten also mit dem Rückbau beginnen.

Sabine, die beste Frau von allen, versuchte zur selben Zeit einen anderen Traum zu verwirklichen: Eine Reise nach Kanada sollte es sein! Nicht mehr und auch nicht weniger. Die Sache ging ihr auch nicht aus dem Kopf. Ich sah diesem Umstand etwas nüchterner entgegen: Meine Ersparnisse waren so gut wie aufgebraucht – für die Restaurierung meiner Suzuki. Wir mussten also eine Lösung finden. So kamen wir dann überein, dass Sabine mir den Betrag für meinen Teil der Reise vorstrecken sollte, wie so oft. Und so wurde der Traum von ihr auch langsam der meinige.

An einem der darauf folgenden Tage trafen wir mit Udo, einem ehemaligen Arbeitskollegen von Sabine, zusammen, um einen Erfahrungsaustausch bezüglich dieser Reise abzuhalten. Er war im Jahr zuvor mit seiner Freundin und den Großeltern mit einem gemieteten PKW dort gewesen und war fasziniert. Anhand eines selbst gedrehten Videos konnte er uns seine Begeisterung noch bestärken. Der Vorteil, der jetzt zum Tragen kam war: Udo arbeitete nun in einem Reisebüro und so kamen wir in den Genuss einer „günstigeren“ Reise. Und wir einigten uns auf eine Fahrt mit dem PKW von Motel zu Motel. So ein Camper war uns dann doch zu groß.Die Buchung via HERTZ nahmen wir in Deutschland vor – Abholung in Kanada. Ebenso buchten wir auch unsere erste Nacht in einem Hotel – besser war das.

Nun dauerte es noch einige Wochen bis zum Abflug in das Land unserer Träume. So wurden von jetzt an nur noch Bücher, Reiseführer und dergleichen studiert und durchgeackert. Das Objekt unserer Begierde hieß BRITISH COLUMBIA und ALBERTA oder vielmehr die Nationalparks dieser beiden Provinzen. Meine letzten Zweifel waren weg gewischt. Jetzt WOLLTE ich dort hin, sollte es kosten was es wollte. Je mehr ich über Kanada nachdachte, desto hippiliger wurde ich. Man nennt es wohl Reisefieber – kannte ich bis dahin ja noch nicht. Und es war unsere erste gemeinsame Reise die so weit weg von zu Hause gehen sollte. Und sie sollte für uns das Schönste und unvergesslichste Erlebnis werden.

Das in den folgenden 20 Jahren darauf noch viel mehr und noch schönere Erlebnisse in diesem Land folgen sollten, das wussten wir natürlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht…