Wir kamen gerade in Duncan an, als sich der Himmel so was von verfinsterte, dass ich glaubte, im nächsten Moment würde die Welt untergehen. Aber das tat sie dann natürlich Gott sei Dank nicht. 🙂 Es war nicht der erste Tag mit so einer Wetterlage den ich erleben durfte. Es waren derer schon viele, nur wurde dieser Tag zu einem Synonym für die Darstellung von Schlechtwetterbildern. Es war anders hier, ganz anders als zu Hause in Norddeutschland. Diese Weite und der hohe Himmel brachten immer wieder neue Lichtstimmungen hervor. Und das im Sekundentakt. So begann ich mich darauf zu konzentrieren. Sollte mein Schaden nicht sein. Es wird noch ein paar Beispielbilder geben von dieser Insel. Ein Schönwetterbild, gegen ein Schlechtwetterbild. Und diese Bilder sind dann auch in einem Abstand von 2,3 Jahren entstanden. Es gab nicht immer das Wetter, was man sich erwünschte. 🙂
Zu dem immer währendem Musikgenuss gesellte sich dann noch dieses hervorragende Bett: Es war völlig unmöglich auf einer Seite liegen zu bleiben. Ständig kugelte man, weil die Matratzen so ausgelutscht waren, in die Mitte zurück. Wie ich so vor mich hin döse, wache ich nächtens auf und bemerke eine Bullenhitze. Jemand musste über Nacht die Heizung angestellt haben, doch es gab keinen Regler zum Schließen der selbigen.
Um 6.00 Uhr in der Frühe stehen wir auf, Katzenwäsche – meist noch weniger als dieses – und flüchten aus diesem Paradies. Wenn ich nur daran zurück denke, wie heiß die Heizung war: Sabine bespritzte die Oberfläche mit kaltem Wasser – wir hätten auch ein Dampfbad daraus machen können – es verdampfte mit einem lauten Zischen!Uns fiel ein, dass man ja zumindest das fenster öffnen könnte. Ja, das ging – hochschieben und den auf dem Fensterbrett befindlichen Vierkantklotz unter den Fensterrahmen stellen…
Wir hatten kaum unsere Koffer im Wagen verstaut beschäftigte mich bereits die nächste Frage: Wo bekamen wir jetzt in aller Herrgottsfrühe ein Frühstück her? Doch keine Panik! Wir fanden gleich um die Ecke ein kleines, aber feines Restaurant. Es nannte sich „Firefighter Inn“, sicher ein Treffpunkt für die Feuerwehrleute in diesem Ort. Sehr nett!
Wir bestellten uns, natürlich, ein Kanadisches Frühstück. Es war das Beste bisher und entschädigte uns ein wenig für die fürchterlichste Nacht, die hinter uns lag. Die Bedienung – bleiben wir doch beim Englischen – die waitress, ist allein aber superschnell. Und trotz der Eile sehr freundlich. Gäste die später hinzu kamen, warteten geduldig bis sie einen Tisch zugewiesen bekamen. Das Schild „Please wait to be seated“ wurde in allen Restaurants die wir in Kanada besuchten, sehr ernst genommen!. Toll!
Nach dem Frühstück fuhren wir zurück nach BANFF (4500 Einw. Stand 1995). Man erreicht diese Stadt auf dem TCH, dem man durch das BOW RIVER VALLEY Tal Richtung Südosten folgt. Das im Sommer noch mehr überquellende Ferienstädtchen entstand bereits kurz nach dem Bau der Canadian-Pacific-Railway, als die Bahngesellschaft 1886 das BANFF SPRINGS HOTEL nahe den heißen Quellen errichtete. Damit war Banffs Ruf als nobler Kurort begründet, der Grundstein für ein schnelles Wachstum gelegt. An der Hauptstraße, der Banff Avenue, drängen sich Restaurants, Sportgeschäfte so wie die schon angesprochenen Souvenirläden. Die wenigen Sehenswürdigkeiten im Ort sind schnell besucht: Das NATURAL HISTORY MUSEUM, das in lebensgroßen Szenen das Leben der Indianer nachstellt, und das WHITE MUSEUM OF THE CANADIAN ROCKIES zur Geschichte der Berge. Rings um den Ort warten weitere Attraktionen: Das ehrwürdige Banff Springs Hotel nahe den Wasserfällen des Bow River, welches wir besichtigen und vor allen Dingen fotografieren wollen. Doch das parken kostet einen lächerlichen Scheiß Dollar, den Sabine nicht zu zahlen gedenkt. Ich hätte liebend gern auf diesen Dollar verzichtet. Manchmal stellt sich diese Frau wirklich pissig an!
Kurz hinter dem Hotel, Sabine hat schon gewendet, sehen wir eine Pension mit dem berühmten „VACANCY“ Schild. Es heißt ELKHORN LODGE. Ich bin dafür sofort zu reservieren, doch Sabine meint Tanken wäre jetzt wichtiger. An der Fuel Station versucht sie dem Tankwart zu erklären, dass sie ein Problem mit den Scheibenwischern hätte. Der Mann hinter der Kasse holt auch tatsächlich einen Mechaniker, der sich die Sache einmal ansieht. Ich gebe ihm den vorsichtigen Tipp einmal die Sicherungen zu kontrollieren.Da schlägt er die Hände über den Kopf zusammen und beginnt mit seiner Arbeit.
Mittlerweile habe ich mir die Bedienungsanleitung aus dem Handschuhfach geholt und mir wurde schlagartig die Reaktion des Mannes begreiflich: Der müsste tatsächlich 120 (!) Sicherungen kontrollieren!
Doch nach dem Durchmessen derselbigen kommt er zum Schluss, dass wohl der Wischermotor defekt sein muss… (The wipermotor is broken…) Es wäre wohl das Beste wir würden den Wagen bei der nächsten „Hertz“ Vertretung, die sich im Banff-Springs-Hotel befand, tauschen. Nachdem wir uns überaus für den Service bedankt hatten, kehrten wir also zum Hotel zurück.
Der Hertz Vertreter ist sehr nett, hört sich geduldig unsere Situation an und es dauert keine halbe Stunde, da haben wir einen neuen Wagen und einen neuen Vertrag – … to the same conditions…) wie er uns versichert. Und wir sparen sogar noch einige Steuern, weil diese in Alberta nicht anfallen. Weil wir ja so große Koffer hatten, bekamen wir einen blauen GM Oldsmobile mit 3,1l Hubraum, 190 PS sowie sechs Zylindern – eine tolle Schleuder!…
Nachdem wir den Wagen im Parkdeck des Banff-Springs-Hotel mit unseren sämtlichen Klamotten eingepackt haben – die Koffer passen trotzdem noch knapper in den Kofferraum – ging es endlich zurück zur „Elkhorn Lodge“. Es war wie ein Wunder – es war immer noch „Vacancy“. Bei dem Glück haben wir natürlich sofort gebucht. So etwas wie die letzte Nacht sollte nie wieder passieren.
Weiter ging es danach auf dem TCH entlang zu unserem ersten Ziel des Tages: dem MORAINE LAKE. Es geht vorbei an wundervoll vergletscherten Bergstöcken in einer sagenhaften Umgebung. Wir konnten uns einfach nicht satt sehen an dieser überwältigenden Schönheit, die uns ringsum förmlich erschlug. Und um jedenfalls ein wenig vorwärts zu kommen, fotografierte ich durch die Windschutzscheibe hindurch. (Was für ein Frevel)…
Die Moraine Lake Road führte uns direkt zur Moraine Lake Lodge, dem Tourist Info Point am See. Ich fotografierte noch einige Hinweisschilder damit ich mich zu Hause in der Bilderflut auch wieder zurecht fand, bevor wir uns auf den Weg zum See machten.
Mir stockte der Atem und alles, was ich über diesen See gehört oder gelesen hatte, wurde übertroffen! Türkis schimmernd lag er umrahmt von zehn Dreitausendern in aller Stille vor mir. Der Schöpfer musste sich hier regelrecht ausgetobt oder einfach nur eine wundervolle Laune gehabt haben. Ich fotografierte wieder, was die Kamera hergab. Und um einen besseren Überblick über die ganze Szenerie zu bekommen, schlug ich mich über einen Berg von angelandeten Baumstämmen durch und kraxelte über unwegsames Berggelände. Oben angekommen, rang ich erst einmal nach Luft. Doch kaum kam ich wieder zur Atmung, stockte sie auch schon wieder; zunächst wegen der sprichwörtlichen atemberaubenden Aussicht, die man mit keiner Kamera der Welt hätte einfangen können, und zum anderen – es gab hier auch einen gemütlicheren Weg nach oben (!) Das kommt davon, wenn man wie ein wilder Stier durch die Landschaft tobt!
Ich stieg, nachdem ich alles was mein Herz begehrte, fotografiert hatte, diesen Weg hinab und traf mich am Ende mit Sabine wieder.
In Lake Louise, das am Ende einer kurzen Straße hoch über dem BOW RIVER VALLEY liegt, fotografiere ich den 2 Kilometer langen Bergsee, der zu Füßen des MOUNT VICTORIA (3464m) liegt und eines der beliebtesten Fotomotive in den Rockies ist. Im Vordergrund das milchig grüne Wasser, dahinter der Victoria-Gletscher der mächtig aussieht und steile Felswände. Direkt am Ufer des Sees, es gibt hier auch eine Kanuvermietung, erhebt sich das von Gartenanlagen umgebene renommierte Hotel CHATEAU LAKE LOUISE, Wanderwege führen am Nordufer des Sees entlang zu Aussichtspunkten in den Bergen. Im Hotel sieht es nicht minder gewaltiger aus: Viele kleine, aber sehr exklusive Läden bieten hier ihre nicht weniger exklusiven Waren an. Das witzigste Erlebnis war hier: In einem kanadischen Hotel spielt ein Österreicher auf einer Zither einen norddeutschen Shantie! Natürlich konnte man auch Music-Kassetten von ihm erwerben und unsere japanischen Freunde sprachen dem auch reichlich zu!
Draußen vor dem Chateau mache ich mich über die kleinen Streifenhörnchen, den Chipmunks, fototechnisch her die unablässig zwischen den großen Steinen am Ufer umher liefen. Einfach zu niedlich diese Gesellen.
Unser weiterer Weg führt uns auf dem ICEFIELD PARKWAY zum BOW LAKE. Auf dem Weg dort hin scheinen sich die smaragdgrünen Seen, schäumende Wasserfälle, gewaltige Hängegletscher und charakteristische Bergsilhouetten gegenseitig an Schönheit übertreffen zu wollen. Hinter jeder der seltenen Kurven, jedem Pass, eröffnete sich ein neuer Anblick auf grandiose Gebirgslandschaften. Dann taucht er links vom Fahrersitz auf: die Straße gleitet etwa für zwei Kilometer dicht an seinem Ufer entlang. Der Bow Lake; der vom Gletscher gleichen Namens gespeist wird und seinerseits den Bow River aus sich entlässt. Man sieht den Gletscher in blau-weißer Pracht oberhalb des Sees in den Bergen hängen. Er gehört zum riesigen Wapta-Eisfeld, das im nördlichen WAPUTIK GEBIRGE den steilen Nacken der Rockies deckt und seine Schmelzwasser sowohl nach Westen zum Pazifischen Ozean als auch nach Osten zum Altlantischen Ozean entsendet.
Für ein stilles Örtchen ist überall Platz…
Die Straße setzt, wenn man das Seeufer verlassen hat, zu einer letzten Steigung an. Geschafft, endlich! Der BOW PASS ist oben am Pass auf 2070m angestiegen und senkt sich nun wieder. Der Automotor arbeitet mühelos. Nach einer weit geschwungenen S-Kurve nähert sich die Straße dem Ostzipfel eines neuen Sees, der sicherlich einen der schönsten in der Abfolge von juwelenhaft vollkommenen Seen darstellt, die an dieser in ganz Kanada oder sogar Nordamerika, ja der ganzen Welt unübertroffenen Straße, dem ICEFIELD PARKWAY, dem Reisenden immer neue Seufzer der Ausdrucke des Entzückens entlockt: PEYTO LAKE!
Hier haben wir dem Auto für eine Stunde Ruhe gegönnt und uns dem Fußweg anvertraut, der zu einem Aussichtspunkt über den See führt. Tief eingebettet ruht er zwischen den Wäldern des hier wieder breiter gewordenen Tals. Sein Wasser schimmert wie alle See türkisfarben und übertrifft an Leuchtkraft – von innen heraus sozusagen – jeden Edelstein. Waghalsige mögen über einen sehr steilen Weg der immerhin 250m Höhenunterschied überwindet, bis zum Seeufer hinunter klettern, durch einen dicht verwachsenen subalpinen Wald.
Von einem Aussichtspunkt her gesehen, etwa zweieinhalb Kilometer auf der Straße weiter jenseits der Passhöhe, scheint der See wie ein Balkon über dem Tal des MISTAYA FLUSSES zu hängen, der aus dem Peyto Lake nordwestwärts über grobe Felsen glasig klar und silbern schäumend bergab springt.
Blöd, wenn man zur falschen Zeit kommt…
Der See erhielt seinen ungewöhnlichen Namen nach einem Waldläufer namens Bill Peyto, der um die letzte Jahrhundertwende, als diese Berge und Täler noch einsame Wildnis waren und jeden, der sie kennen lern wollte, viel Mut und Mühe abverlangten, als der Einzige galt, der sie Gewässer, Gebirge, und Gletscher dieser grandiosen Gegend gründlich kannte und deshalb Fremde führen konnte.
Bill Peyto erlangte mit der Zeit einen weithin geltenden Ruf, und als man im schnell aufstrebenden und Berühmtheit gewinnendem Banff einen Parkaufseher und Bewahrer suchte, da die Zahl der Besucher, darunter manch ein Unkluger und Vorwitziger, schnell zunahm, konnte man keinen besseren dazu ernennen als den wildnis- und bergerfahrenen Peyto. Um sein Andenken zu bewahren, erhielt der schönste der vielen Seen an der Straße nach Jasper seinen Namen.
Oben am Ziel angekommen musste ich auch gleich einen Koreaner mit dem See im Hintergrund fotografieren – anderen Besuchern fiel das Gleiche ein, so kam ich gar nicht dazu selbst Bilder zu machen. Viele Deutsche sind hier oben und wir hatten wohl alle eines gemeinsam: Wir konnten uns einfach nicht von diesem Anblick los reißen.
Doch es wird zunehmend dunkler und wir müssen gezwungenermaßen langsam an den Abstieg denken. Zumal wir im Moment nicht von einem Ehepaar los kamen, welches wir schon beim Aufstieg kennen lernten. Die Unterhaltung wurde nun fortgesetzt. Ich hatte andere Probleme: Mich nerven die vielen Mücken! Doch alles hat einmal ein Ende, und wir treten von Hunger getrieben den Heimweg zurück in die Elkhorn Lodge nach Banff an.
Wir entschließen uns in das gleiche Lokal wie gestern zu gehen. Und dort angekommen bestelle ich mir natürlich gleich Two orders of Chicken wings, diesmal mit einem Glas Bier, die wings diesmal allerdings nicht so scharf wie gestern.
Nach einiger Zeit, so ungefähr bis ein Glas Bier alle ist, entscheide ich mich für ein weiteres – hätte ich besser nicht tun sollen. Doch mir gingen an diesem Abend, sogar in dieser Spelunke, oder gerade derswegen, die unausstehlichen „Ruhrpott Yankees“ auf die Nerven. Und wenn diese dann auch noch mit unseren ostdeutschen Kollegen zusammen treffen, kann man getrost das Lokal verlassen. Jedweder Appetit oder Durst ist dann wie weggeblasen. Etwas Schrecklicheres ist uns in ganz B.C. Nicht passiert.
Wir versuchen also diese Anhäufung von Peinlichkeiten zu ignorieren indem wir einen ganzen Schwung Postkarten schreiben. Aber dennoch: Einige Stunden später zieht es uns doch in unsere Unterkunft.
Wir fallen in verflucht weiche Betten und in einen tiefen traumlosen Schlaf.
Wir haben doch tatsächlich Frost hier oben! Minus 3 Grad Celsius und keinen Eiskratzer. Da musste eben mal die Scheckkarte herhalten! Das ging auch ganz gut. Mit dem Frühstück hatten wir zum ersten Mal Probleme. Natürlich sind wir wieder bei A&W eingekehrt: Das Restaurant stand auf der anderen Seite des TCH und der Parkplatz war belagert von vielen riesigen Trucks, die langsam zum Leben erwachten.
Sabine bestellt wieder zwei Kanadische Frühstück, wie am Tag zuvor in Kelowna. Doch als wir statt des erhofften „Nationalgerichts“ zwei Hamburger mit Kartoffelröstis bekommen, zieht sie eine Schnute. Nach einigem Hin und Her erfahren wir, dass sie falsch bestellt hat. Die Fastfoodkette hatte kurzfristig das Angebot umgestellt. Die waitress fackelte aber nicht lange und tauschte alles um. Kurz darauf bekamen wir dann unser erwünschtes „Holzfällerfrühstück“. Nachdem mein Kakao und Sabines Kaffee leer sind, gehe ich los um Nachschub zu holen. Als ich den bezahlen will verneint unsere waitress und erklärt uns, dass das Nachschenken (Refill) kostenlos ist. Man bekommt tatsächlich so lange nachgeschenkt bis es aus den Ohren wieder raus kommt. Und das alles für einen Can$. Bei uns in Germany völlig undenkbar. Nach dem Frühstück gebe ich der waitress 2 Can$ Trinkgeld, worüber sie sich sichtlich freut, denn es ist ganz und gar unüblich in einem Schnellimbiss Trinkgeld zu geben. Wieder auf dem Motelzimmer, versuche ich Sabines Mutter anzurufen. Beim ersten Mal ein totales Tohowabohu. Dauernd schaltet sich der Oparator ein, weil ich irgendetwas falsch mache! Doch beim xten Versuch tippe ich die richige Nummer ein und die Verbindung ist so gut, als würde ich mal eben um die Ecke telefonieren. Phantastisch!
Es ist 9.30 Uhr. Golden, das wie Revelstoke als Eisenbahncamp gegründet wurde, liegt umrahmt von Bergen am Oberlauf des Columbia River. Der Strom fließt hier von Süd nach Nord durch den Rocky Mountain Trench, einem großen Grabenbruch zwischen den Columbia Mountains im Westen und den Rocky Mountains im Osten.
Wir fahren hinaus in die noch kalte Morgensonne. Die Luft ist klar und sauber, nur einige Nebelwolken über den Bergen trüben noch die Sicht. Insgesamt sind wir heute nur 200 Kilometer gefahren, die sich aber mehr als gelohnt haben. Hinter jeder der doch recht seltenen Kurven beeindrucken die Berge von Neuem. Wir hätten alle 5 Minuten anhalten können um zu fotografieren. Nur wenige Kilometer stromabwärts von Golden beginnt der vom MICA DAM aufgestaute, 200km lange KINBASKET LAKE, in dem der Fluss das Hindernis der Columbia Mountains in weitem Bogen umgeht. Die Eisenbahn spielt bis heute eine wichtige Rolle im Wirtschaftsleben der Stadt, ebenso die Holzindustrie – die kahlen Hänge links und rechts des Columbia River zeigen es deutlich. Golden ist aber auch ein beliebter Ausgangspunkt für Angler und Wanderer, die sich für ihre Touren in die umliegenden Bergregionen ausrüsten.
Wir fahren nun weiter auf dem TCH, der jetzt dem schmalen, charakteristischen V-Tal des „KICKING HORSE RIVER folgt, zwischen steilen Sandstein- und Schieferhängen hinauf in die Rocky Mountains. Nach 25km erreichen wir den vom Massentourismus kaum berührten YOHO NP. Hier war dann auch unser erster sehr interessanter Halt im Einzugsgebiet der Rockies. Der 1313m² große, 1886 gegründete Park birgt eine grandiose Hochgebirgslandschaft. Der Name „YOHO“ stammt aus der Sprache der Cree-Indianer und drückt Bewunderung aus, etwa „OH!“ im Deutschen.
Tatsächlich ist die Natur hier teilweise noch bizarrer und spektakulärer als in den anderen Nationalparks der Rocky Mountains: die Täler enger, die Wasserfälle höher, die Flüsse reißender. Ein ausgedehntes Netz von Wanderwegen erschließt die aparten Schönheiten. Unter Wissenschaftlern ist der Park für seine weltweit einmaligen Funde von Fossilien im BURGESS SHALE berühmt: über 100 verschiedene Meerestiere, die hier vor 530 Mio Jahren im Schlamm eines urzeitlichen Meeres lebten.
Unser erster Weg führt uns an diesem kalten Morgen zu den Wapta Falls.
Aber bis wir die erreichen, müssen wir noch 2,4 km zu Fuß gehen und Sabine wünsche sich einmal mehr warme Handschuhe – zu Anfang jedenfalls.
Hier gab es Eichhörnchen und wir gaben uns von nun an jedes Mal einen Punkt, wer dann eines gesichtet hatte. Schon nach kurzer Zeit stand es 3:1 für Sabine. Das wir aber später noch sehr viel mehr sehen sollten, dass man sie kaum zählen konnte – das wussten wir an diesem Tag noch nicht. Am Ziel unseres Weges wurden wir mit einem kleinen, doch sehr fotogenen Wasserfall belohnt. Allein, was den Hintergrund anging. (Leider gab es nur abgesperrte Aussichtspunkte, was für ein wirklich gutes Foto nicht gerade förderlich war). Doch was scherten mich Absperrungen! Als wir uns satt gesehen haben, müssen wir erst einmal wieder 2,4 Kilometer zurück legen, um zu unserem Auto zurück zu gelangen.
Bei FIELD – der einzigen Ortschaft im Park -, zweigt eine rund 10km lange Seitenstraße ab, auf der man zunächst zu einer natürlichen Felsenbrücke kommt – (Auch hier musste ich natürlich direkt auf diese Steinbrücke, während andere sie nur aus der Ferne sahen) unter der der Kicking Horse River hindurch tost.
Von dort aus fahren wir weiter in Richtung Provinz ALBERTA. Und es ging nahtlos weiter: wir wurden von wundervoller Landschaft um uns herum erschlagen. Bald erreichten wir das Besucherzentrum in dieser Provinz. Neugierig schauen wir uns in diesem Gebäude um; was wohl der nächste Abschnitt unserer Reise bringen würde? Leider gab es dabei auch schon viele Sachen, die wir einfach versäumt hatten. 😦 Vorbei gefahren, nicht gewusst…
Und so bitte ich Sabine, zumindest bis zum EMERALD LAKE zurück zu fahren. Dieser hatte mich in der Touris Info sehr eingenommen; auf den Dias sah das einfach toll aus und ich fand es lohnend, ihn auch in Natura gesehen zu haben, bevor es weiter ging.
Und es hat sich gelohnt! Türkis schimmernd lag er wie ein Juwel am Ende der Straße, eingefasst von Berggipfeln und Gletschern. Ein erhabener Anblick! Auf dem zweistündigen Rundwanderweg um den See genossen wir das majestätische Panorama in aller Stille.
Jahre später sollte ich hier noch viel schönere Bilder machen, aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht…
Etwas nördlich von Field zweigt vom TCH eine weitere Seitenstraße ab, die in engen Haarnadelkurven die steilen Wände des YOHO VALLEY hinauf steigt. Tief in diesem Tal versteckt tosen die 384m hohen TAKAKAW FALLS, die wir leider nicht gesehen haben, von den Felsen herab. Im Yoho Valley beginnen ausgezeichnete Wanderwege zu den Bergseen und und Gletschern im Hinterland.
Kaum waren wir zurück auf dem Highway sah man links eine gut ausgebaute Parkbucht; ein sicheres Zeichen für eine weitere Attraktion: Von einer Aussichtsplattform bietet sich ein schöner Blick auf die schroffe Steilwand des MOUNT STEPHEN (3199m) und auf die Gleise der Canadian -Pazifik-Railroad. Hier können wir (wenn man es nicht weiß, Pech) ein ansonsten recht häufiges Schauspiel verfolgen und fotografieren: Einen Güterzug mit mindestens 111 Anhängern (!). Was hier eigentlich abläuft wurde uns erst bewusst, als eine junge Frau deutscher Herkunft mit wortgewaltigen Ausdrücken erklärte, wie das mit den SPIRALTUNNELN funktionierte.. Spiraltunnel – da hatte ich zum ersten Mal etwas in Revelstoke im Museum gelesen.
Also, das geht so:
Auf einer Trasse über uns hören wir einen Zug schon tuten. Er wird in den nächsten Augenblicken in unser Blickfeld kommen. Da in diesem Teilstück sehr große Höhenunterschiede zu bewältigen sind, baute man die dazu nötigen Spiraltunnel.
Sie waren unumgänglich, um in die andere Richtung den Aufstieg zum Kicking Horse zu ermöglichen. Immerhin hat der Pass eine Höhe von 1647 Metern.
Dieser Zug wurde von drei (!) Lokomotiven gezogen. Zwei vorn und die dritte in der Mitte. Das Ding war so lang, dass es an drei Stellen der Serpentinenstrecke gleichzeitig zu sehen war.
Gigantisch!
Parallel zu den Schienen überquert der TCH den Grat der Rocky Mountains und erreicht den BANFF NP in der Provinz Alberta. ICH entschied, dass wir da zuerst hin fuhren. Hätten wir das nur nicht getan! Banff quoll über vor Asiaten, in der Häufigkeit Japaner! Nicht nur als Besucher – weit gefehlt. Viel schlimmer! Sämtliche Andenken und Souvenirläden wurden ausnahmslos von Asiaten geführt. Es war wie ein schrecklicher Alptraum – weit schlimmer als Oberammergau! Denn- es gab, wie dorten auch, eine Christmas World für’s ganze Jahr. Der Kitsch übertrifft in der Stadt Banff aber einfach alles! Ich will nach den ersten vier Läden nur noch weg! Und Sabine sucht in der Tourist Information nach einer Bleibe für die Nacht…
Diesmal kamen wir in die verteufelte Lage, dass in der „näheren Umgebung“ alles ausgebucht war. Was nun?
Der freundliche Mensch im Info Center schickte uns zunächst nach CANMORE, 25km von Banff entfernt. Es könnte ja sein, dass dort mit etwas Glück noch ein Zimmer frei wäre. Doch wie dem auch sei: Zuvor brauchten wir etwas zwischen die Zähne.
Ich kam um vor Hunger! Hier gab es dann zum dritten Mal Chicken wings, und weil ich nicht wusste, wie groß die Portionen sein würden, gleich two orders of…
War auch kein Fehler, doch die Portionen waren riesig. 18 Wings für 13 Can$. Sabine hatte sich in ein noch heißeres Nest gesetzt: Sie hatte sich für etwas Thailändisches entschieden: Megascharf! Die Arme! Sie hat sich fürchterlich das Maul verbrannt! Nichts für ungut, aber meine Wings waren auch nicht von schlechten Eltern. Aber lieber HOT als mit Blauschimmelkäse, ehrlich!
Nach dem Essen begann eine kleine Odyssee nach und durch Canmore. Wir irrten lange durch die völlig fremde und abgeschiedene Stadt, und fanden trotz intensiver Suche – nichts! Nur langsam musste etwas geschehen: Entweder weiter fahren oder das Zimmer nehmen, welches wir bei einem fragwürdigen Motel entdeckt hatten.
Sabine überlegte nicht lange und fuhr auf den nächstbesten Parkplatz. Wir hatten uns entschlossen, das Zimmer wenigstens anzusehen.
Wir traten ein in eine Art Kneipe und ich fühlte mich um Jahrzehnte zurück versetzt. James Dean ließ grüßen! Da saßen Männer und Frauen sich an kleinen Tischen gegenüber und waren mit irgendetwas beschäftigt. Alles war in schreiendem Rot und düsteren Schwarz eingerichtet. Zu bestimmten Zeiten wurden hier wohl Rock’n’Roll Tanzwettbewerbe abgehalten, denn viele Fotos an den Wänden schlossen darauf.
Etwas unsicher gingen wir also zu dem Wirt, oder was auch immer dieser Mensch darstellte zu, und fragten nach einem Zimmer. Ja, er hatte noch eines. Doch Sabine wollte es zunächst einmal sehen. Was für eine Frage! Als ob wir das jetzt noch ändern könnten. In der Lage in der wir uns befanden, war keine Wahlmöglichkeit vorhanden.
Aber gut, wir und der Wirt willigten ein und begaben uns über eine immens quietschende und knarrenden Treppe nach oben. Ich hatte das Gefühl, das seit dem Goldrausch im Klondike hier nichts mehr getan worden ist. Es ging vorbei an einem Bathroom (!) den man vor Dreck und Enge leider nicht betreten konnte; an Toiletten, denen man von außen ansah, dass man sie lieber nicht benutzen sollte und vorbei an Zimmern, die mit allen möglichen Geräuschen, meist sehr laut, angereichert waren. Ich schloss also unser nächtliches Paradies auf: Es war ein Alptraum, aber einigermaßen sauber. Dennoch: Wir kamen uns vor wie in einem schlechten Western! Sabine wollte am liebsten flüchten, wusste aber nicht wohin. Und so gab es nur eine Alternative: Draußen im Auto übernachten – bei Frost und ohne Decke!
Also nahmen wir zähneknirschend das Kämmerchen, was sollte man auch für 38Can$ mehr verlangen, und versuchten uns einigermaßen einzurichten. Doch an Schlafen war überhaupt nicht zu denken. Die anwesenden Gäste knallten die ganze Nacht erbarmungslos mit den Türen, Musik aus der unter uns befindlichen Bar dröhnte nach oben und damit das Glück auch vollkommen war, auch noch Musik aus einigen Gettoblastern aus verschiedenen Zimmern zu uns hinein. Es war wirklich eine seltsame Horrornacht!
17.09.1995 Flughafen Hamburg Fuhlsbüttel /Flughafen Frankfurt / Flughafen Vancouver
Vancouver Travellodge Hotel
Wir sind kurz vor dem Einchecken. Ich lasse noch einmal alles an mir vorüberziehen, was wir bisher hinter uns gelassen haben. So schnell verging die Zeit: Das Buchen des Mietwagens in einem Eckernförder Reisebüro, unser Motel für die erste Nacht. Der Abend zuvor, wo Sabine die Koffer mit der ihr eigenen Sorgfalt packte. Und zuletzt die Fahrt mit Wiebke, Sabines Schwester und deren Mann Hans-Jürgen, die uns zum Flughafen nach Hamburg brachten. Alles war jetzt neu und ungewohnt. Ich war noch niemals auf einem Flughafen, Sabine auch nicht. Was sollten wir denn nun zuerst tun? Doch Hans-Jürgen, der Vielflieger, stand uns mit Rat und tat zur Seite, alles ging reibungslos über die Bühne.
Nachdem wir die Koffer aufgegeben und eingecheckt hatten gingen wir zusammen noch ein wenig in den Gängen und Hallen umher und ich ärgerte mich daß man, wenn man den Flugbetrieb beobachten wollte, immer in ein Gaststättenrefugium treten, und somit bezahlen musste. Die zeit rauschte nur so dahin und wir waren, nachdem wir uns von Wiebke und Hans-Jürgen verabschiedet hatten und nach einigen Kontrollen, die ich mir eigentlich schärfer vorgestellt hatte, im Inland-Terminal auf uns allein gestellt.
Ich hatte wieder zu meiner Rhe zurück gefunden, während Sabine nichts anderes zu tun hatte, als sich etwas Essbares zwischen die Lippen zu schieben. Vielleicht dachte sie aber auch; Futter beruhigt…
Da saßen wir nun und warteten auf unseren Flug nach Frankfurt. Wir sollten zum ersten Mal fliegen. Freute ich mich darauf? Vielleicht mit gemischten Gefühlen. Jedenfalls konnte ich mich noch darauf einstimmen – der Flug hatte 20 Minuten Verspätung. Uns war das egal. Wenn ich mal nicht über diesen ersten Flug nachdachte hatte ich zumindest genügend zeit mir aus den großen Fenstern den Flughafenbetrieb anzusehen.
Dann rollte unser Airbus zur Gangway und er wirkte auf mich enttäuschend klein!
Durch die für uns zutreffende Durchsage wurde ich aus meinen Gedanken gerissen und wir begaben uns mit unseren Bordkarten in der Hand auf den Weg zum Flugzeug. Und drinnen in der Röhre wurden meine Befürchtungen Wirklichkeit: Es war furchtbar eng! Später sollte sich dann feststellen, dass der kleine Airbus mehr Platz bereit stellte, als der riesige Jumbo! Sabine und ich verstauten unser Handgepäck in den oberen Staufächern und schnallten uns sogleich an, obwohl bis zum Start noch einige Zeit vergehen sollte…
Dann endlich war es soweit: Langsam rollte der Airbus zur Startbahn, dann stand er einige Zeit still – bis die Freigabe zum Start erfolgte. Es gab einen Höllenlärm als wir vom Boden abhoben und ich hoffte inständig, es würde nicht so bleiben.
Sabine war war jetzt völlig aufgeregt… Sie drückte meine Hand ganz fest und sagte immer nur:
„Wir fliegen! Zum ersten mal fliegen wir!“
Was sollten wir auch sonst tun, ich empfand das Ganze nun nicht so spektakulär wie ich es mir ausgemalt hatte.
Kaum 45 Minuten später landeten wir schon in Frankfurt. Hier kam zum zweiten Mal leichter Stress auf. So viele Menschen wuselten hier herum. So viele Nationalitäten, Hautfarben.Wohl gefühlt habe ich mich bei so etwas noch nie. Wir checkten uns erneut ein und schleusten uns an den vielen Menschentrauben vorbei in freiere Gefilde, wo man einigermaßen gut atmen konnte. Hier ging dann auch die Abfertigung zügiger voran.
Wieder befanden wir uns nach den Kontrollen und Durchleuchtungen im Inland Terminal und ich nutzte die Zeit einige Fotos vom Flugbetrieb zu schießen.
Unter anderem fotografierte ich auch „unsere“ B 747, die gerade beladen wurde und in Sichtweite stand. Sabines Interesse galt währenddessen einem Porsche, der ebenfalls in unserem Flugzeug verstaut werden sollte, und interessiert verfolgte sie die „Prozedur“ der Verladung.
Mittlerweile hatte sich der Warteraum mit einer Menge von Menschen angefüllt. Irgendwann wurde unser Flug aufgerufen, wir folgten erst einmal den anderen Fluggästen zur Gangway und bei unserer Sitzreihe angekommen, mussten wir feststellen, dass es noch enger war, als befürchtet. Ich konnte mich kaum mit dem Gedanken abfinden, jetzt noch 9 Stunden hier gefangen zu sein. Nach einer kleinen Ewigkeit rollten wir endlich zur Startbahn. 14.15 Uhr sollten wir eigentlich starten, doch jetzt mussten wir noch auf 5 (!) weitere Kunden vor uns warten. Langweilig war es nicht, ist es doch immer wieder interessant, wenn so ein schwerer Vogel abhebt und in den Wolken verschwindet.
So kamen wir erst gegen 15.00 Uhr in den Himmel.
Gleich zu Anfang erklärten uns die Stewardessen zu einer unsichtbaren Stimme die Sicherheitsvorkehrungen. Ich konnte es mir nicht verkneifen, die beiden frauen da vor uns mit den Assistentinnen von Goudaquassler Harry Whinfoort zu vergleichen. Das Ganze hatte eine Anmutung von „Der Preis ist heiß“. Ich hatte echt das Gefühl, die wollten uns den hauptgewinn, die Schwimmwesten, anpreisen.
Übrigens bemerkte ich bei diesem Start eine wesentlich angenehmere Verteilung der Schubkraft, als beim Airbus. Muss wohl an der Größe des Vogels liegen.
Langsam wurde mir die ganze Tragweite der engen Platzverhältnisse klar. Meine Beine hatten kaum Platz in den Sitzreihen, ein Ausstrecken war gänzlich unmöglich. Und je länger der Flug dauerte, desto weniger konnte ich entspannt sitzen. Das im Bordkino Filme zu sehen waren, die bei uns noch nicht einmal im Kino liefen, trug auch nicht dazu bei meine Laune zu verbessern. Zumal ich (!) einen defekten (!) Kopfhörer abbekommen hatte.
Es blieb mir nichts anderes möglich, als mich in mein Schicksal zu fügen und so schaute ich stundenlang nur aus dem kleinen Bullauge und versuchte während des ganzen Fluges einige Luftaufnahmen zu machen. Immerhin waren wir fast 10.000 Meter hoch (!) Leider verhüllten die meiste Zeit Wolken die Aussicht auf das, was ich gern gesehen hätte. Nichtsdestotrotz, diese Wolkenformationen hatten auch irgendwie ihren Reiz. Manchmal hatte ich den Wunsch, einfach aussteigen zu wollen, um es mir dann in diesen nach Watte aussehenden Gebilden gemütlich zu machen.
Hier oben war es wirklich so schön, es schien andauernd die Sonne. Als wir über Grönland flogen, gelangen mir zwei lächerliche Bilder, ansonsten lag die Insel wie auch die riesige Hudson Bay und auch das Nordwest-Territorium unter einer dichten Wolkendecke. Hin und wieder riss aber doch mal die Watteschicht auf und gab dann die Blicke preis auf ein unwirtliches Gelände. Von hier oben sah es so aus, als könnten dort weder Mensch noch Tier leben: Eine braun weiß gefleckte Mondlandschaft. Dann wiederum sah man ganze Gebirgszüge aus dem Schnee heraus schauen, die dann im nächsten Moment in noch größere Wolkenfelder verschwand.
Aber dann: rechtzeitig über den Rocky Mountains riss die Wolkendecke auf und präsentierte uns eine einmalige Gebirgslandschaft. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Vor mir bis zum Horizont nur Berge! Ich fotografierte wie ein besessener. Es war ein tolles Erlebnis. Überall lagen die vielen Bergseen wie kleine Smaragde in den gewaltigen Bergzügen. Von hier oben konnte man aber auch etwas anderes überdeutlich sehen: Die Wälder sahen an vielen Stellen aus wie riesige Flickenteppiche. Überall war Kahlschlag zu erkennen. Wie schrecklich musste es erst da unten in Natura, Live und in Farbe aussehen? Doch auch Flächen die neu aufgeforstet waren konnte man erkennen. Ich fotografierte, was mir vor die Linse kam und ich freute mich wahnsinnig auf die Landung. Ich konnte einfach nicht mehr sitzen und war dementsprechend ziemlich gereizt.
Um 16.00 Uhr Ortszeit landeten wir in Vancouver. In Loose war es jetzt 1.00 Uhr nachts. Die Zeitverschiebung bringt es mit sich. Ist aber auch komisch wenn man so einen langen Weg hinter sich hat. Es wird spät und später und es wird einfach nicht dunkel.
Zum Auschecken mussten wir zunächst einen sehr langen gang gehen, man konnte in mehreren verschiedenen Sprachen, auch in Deutsch, vernehmen, wo wir unsere Koffer abholen konnten. Doch noch war es nicht soweit. Zunächst standen wir in einer sehr langen Schlange vor den Einreisebeamten, die immer alles genau wissen wollten. Schließlich hat hier alles seine Ordnung in British-Columbia. Ich machte mir darum weiter keine Gedanken. Sabine erinnerte sich daran, was udo uns erzählte; von wegen einzeln vortreten, natürlich erst nach Aufforderung usw. usw. Während Sabine also mit solchen Gedanken beschäftigt war, schaute ich mir den Betrieb vor den Schaltern an: Wer allein war, stellte sich auch allein an; war man zu zweit, trat man auch zu zweit vor den Emigration-Officer. So taten wir es dann auch, gaben brav unsere Reisepässe ab und Sabine erklärte dem Officer warum wir hier waren, wie lange und wann wir wieder abfliegen würden. Dieser lächelte nur kurz und schon waren wir durch. Wozu also die ganze Aufregung? Ziemlich erleichtert gingen wir zu unserem Laufband und holten unsere Koffer ab. Anschließend suchten wir den Ausgang.
So, da standen wir nun am EXIT und wussten zunächst nicht mehr weiter. Wo sollte der Shuttlebus halten der uns zum Hotel brachte? Auf einem Mal stürzten über uns Fragen über Fragen ein, aber keine Antworten. Ich hielt es daher erst einmal für richtig die ganze Sache zu beobachten. Es kamen zwar jede Menge Kleinbusse verschiedener Hotels und Motels vorbei, doch keiner trug die Aufschrift „TRAVELLODGE“. Sabine wurde langsam ungeduldig und reagierte leicht panisch. So fragte ich eine eben angekommene Busfahrerin nach dem Eintreffen des vorgenannten Busses. Sie war ziemlich kurz angebunden und so viel ich mitbekommen hatte, sollte ich hier ruhig warten, der Bus würde schon noch kommen. Man muss sich das mal vorstellen: Wir kamen in ein Land, wo nicht unsere Muttersprache gesprochen wurde und zum ersten mal mobilisiert man seine noch vorhandenen Englischkenntnisse (Jetzt endlich wusste ich, warum ich im Englisch doch besser hätte aufpassen sollen. Doch dies sollte sich später noch völlig ändern.
Eine halbe Stunde war vergangen, und endlich tauchte unser Bus auf. Naja, Bus war wohl etwas übertrieben. Doch wir freuten uns, dass er da war und uns zu unserem Nachtquartier brachte. Ja, aber was kam dann?
An der Rezeption händigte man uns keine Schlüssel für das Zimmer aus, sondern eine Art Scheckkarte. Das war neu für uns. Und so hatten wir auch anfangs einige Probleme damit. Aber auch diese wurden gelöst und wir standen in einem relativ großzügigem Raum. Riesige Betten beherrschten den größten Teil. Ansonsten sah es eben wie in einem Hotelzimmer aus. Nach einer kurzen Inspektion zogen wir es vor, erst einmal zu duschen, damit unsere Lebensgeister wieder zurückkehren konnten. Anschließend zogen wir los, um unsere nähere Umgebung zu erkunden. Was mich nur ein wenig nervte, war der Umstand, keine Stadt- oder Straßenkarte von Vancouver dabei zu haben. Wir wussten überhaupt nicht wo wir uns befanden.
Wir gingen einige Haupt- und Nebenstraßen entlang und staunten über die vielen teilweise großzügig aber immer im selben Stil gebauten Wohnhäuser. Sie wurden zum größten Teil von Asiaten benutzt. Was das bedeutete, sollte ich später fast schon schmerzlich erfahren. Vor den Häusern, von denen ich nicht wusste, wie sie gebaut wurden, standen dann auch die Objekte meiner „Begierde“. Autos! Riesige Karossen, die zum Teil bei uns niemals durch den TÜV kommen würden. Aber hier ticken die Uhren anders und auch das Autofahren hat hier eine völlig andere Bedeutung: Hauptsache das Ding LÄUFT! Später sollte Sabine und mich der Anblick der vielen Buicks und anderen Straßenkreuzern nicht mehr aus der Fassung bringen. Es war einfach schon normal geworden.
Nach dem Spaziergang, bei dem wir uns mit einigen Kleinigkeiten versorgten, unter anderem mit Kokoskeksen – absolut cholesterinfrei und einen kleinen Kanister Kakao mit 2% Fett. Tja, hier ist alles ein wenig anders; zogen wir es dann doch vor ins Bett zu verschwinden. Müde schloss ich meine Augen, um genau um 2.00 Uhr schon wieder aufzuwachen. Ich war einfach zu aufgeregt wegen des zurückliegenden Fluges. Und auf das was uns morgen wohl erwartete – wenn wir unser Auto abholen.
Um das erste Mal in meinem Leben zu fliegen musste ich 35 Jahre alt werden…
Bis dato dachte ich noch daran, in der Heimat ist es doch am schönsten… oder warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah… Scheiße was, danach war nichts mehr so wie es war…
Vorwort
Das zweitgrößte Land der Erde macht weniger politische Schlagzeilen als manche Bananenrepublik. In erstaunlicher Harmonie leben Inuit, Indianer und Nachkommen europäischer und asiatischer Einwanderer miteinander.
Dieses war meine Sichtweise im Jahre 1995. Doch so rosig sah das alles nicht aus. Ich sollte mir noch viele Gedanken machen zu einem Land, welches erst jetzt, kurz nach dem 150 Geburtstag, ja so jung ist das Land noch, so richtig zu einer Einheit zu finden sucht…
Die Bilder zu dieser Reise, die drei Wochen dauerte, sind analog entstanden, ja auch bearbeitet, natürlich, und es war in einer Zeit, wo ich mir noch lange nicht sicher war, ob die Bilder auch heil wieder in Deutschland ankamen. Den Filmen wurden Röntgenstrahlen ausgesetzt, heftige Temperaturunterschiede und und und… Bei einer Reise ist es dann auch passiert: Sämtliche Filme die ich belichtete, ausgerechnet der Yellowstone National Park, waren am Ende dermaßen blaustichig, dass ich nur mit Mühe und Photoshop alles wieder richten konnte. Doch das ist eine völlig andere Geschichte.
Es dauert, scheint’s, alles etwas länger in Kanada. Zum Beispiel: 1931 erhielt das Land auch nominell seine staatliche Unabhängigkeit im Britischen Commonwealth. Eine kanadische Staatsbürgerschaft gibt es aber erst seit 1947. Die neue Nationalflagge weht erst seit 1965 über der Hauptstadt Ottawa und die geltende Verfassung stammt aus dem Jahre 1982. Offenbar geht man’s gerne ruhig an in Kanada, gelassen. Ein sympathisches Land.
Den Nachbarn im Süden, die USA, findet man da, – bei aller Liebe, manchmal auch Hassliebe – zu hektisch, zu schrill, zu laut. Britisch unterkühlt ist man, oder französisch-rational. Das Lauteste in Kanada seit vielen Jahren: Im März 1995 bringt die Küstenwache einen spanischen Trawler wegen illegalen Fischfangs auf – Streit mit der EU um die Fangquoten vor Neufundland. Und: im Oktober 1995 schrammen die Separatisten der francokanadischen Profinz Quebec, die eine eigene Fahne, eigene Steuern und Gesetze fordern, in einem Referendum zum zweiten Mal knapp am Wahlerfolg vorbei. Beide Ereignisse schrecken die Weltöffentlichkeit nicht gerade auf.
Bescheidenheit und Zurückhaltung, sie ehren die rund 28 Millionen Kanadier (Stand 1995) um so mehr, als das ihr Land fast zehn Millionen Quadratkilometer zählt (nach Russland das zweitgrößte Land der Erde) und in der Weite seiner zehn selbst verwalteten Provinzen und zwei Territorien (Stand 1995) immer wieder über an Wunder grenzende Naturschönheiten verfügt – vor allem der stillen Art, versteht sich. Immerhin 15 Millionen Touristen (Stand 1995) kommen im Jahr ins Land. Niagara, den berühmtesten Wasserfall, und den mit 3769 Kilometern längsten Seeschiffahrtskanal der Welt, den St. Lorenz Strom, teilen sie sich mit den USA.
Groß das Land, 5514Kilometer von Ost nach West, aber keine Großmannsallüren: Nicht ein Furchterregendes Tier wie Bär oder Adler ziert das Wappen, sondern – ein Ahornblatt. Und die ROYAL CANADIAN MOUNTED POLICE, die berittenen Rotröcke mit dem breitkrempigen Hut, königlich, weil das Staatsoberhaupt der KING oder die QUEEN in London war und ist – diese Polizei kommt tatsächlich als Freund und Helfer. Autorität, aber nicht autoritär, war auch schon ihre Vorgängerin, die NORTH WEST MOUNTED POLICE, seit ihrer Gründung vor mehr als 148 Jahren (Stand 2021). Sioux Häuptling Sitting Bull stellte sich vertrauensvoll unter den Schutz dieser Truppe, als er nach dem Gefecht gegen US_General Custer am Little Big Horn 1876 nach Kanada floh.
Die europäischen Vorfahren der Kanadier, vorwiegend Franzosen und Engländer, waren ja auch nicht als Eroberer ins Land, sondern als Fischer an die im 16. Jahrhundert noch ertragreichen Küsten Neufundlands gekommen. Ausgerechnet die Mode in der Alten Welt machte es möglich, dass der weiße und der rote Mann, nachdem sie sich erst einmal begegnet waren und Geschenke, darunter kanadische Tierfelle, ausgetauscht hatten, per Pelz zu Partnern wurden, zu Handelspartnern: In Europa, wo nur der Adel Jagdrechte besaß, brauchte man auf’s dringlichste Tierfelle als Winterkleidung und für die Herstellung der gerade kreierten Filzhut-Mode.
Nicht Siedler und Soldaten also, sondern Händler und Höker zogen als erste zu den Indianern im Westen, und ihren größten Landgewinn machten die späteren östlichen Provinzen ganz friedlich, als sie 1870 der Hudson’s Bay Handelsgesellschaft ihren riesigen Marktbereich im Norden, jenseits des 60. Breitengrades, abkauften und damit das Staatsgebiet verdreifachten. Das partnerschaftliche Verhältnis aber blieb über die Jahrhunderte erhalten. Und das gilt bis heute auch für die anderen Bevölkerungsgruppen. Denn Minderheiten, könnte man sagen, sind sie alle. Ein Drittel der Einwohner haben britische, ein Viertel französische, jeweils ein knappes Fünftel andere europäische oder asiatische Vorfahren und zirka drei Prozent stammen ursprünglich aus Afrika. Sie alle leben mit den Nachkommen der Ureinwohner, 350.000 Indianern und 28.000 Inuit, nachbarschaftlich zusammen. Was für ein liebenswertes Land.
Text Stand 1995. Natürlich hat sich jetzt in den letzten 26 Jahren einiges geändert, aber dazu komme ich im Laufe der Geschichte, die nun erzählt wird noch genauer…
Wir reisten auf der „Klassischen Tour“ die wohl jedes „Greenhorn“ anwendet, wenn man das erste Mal in West-Kanada ist. Beginnend von VANCOUVER über die COAST MOUNTAINS, durchs OKANAGAN VALLEY in die ROCKY MOUNTAINS nach BANFF und JASPER. Zurück über den YELLOWHEAD HIGHWAY wieder durch die Coast Mountains nach VANCOUVER ISLAND. Dort von der Horseshoe Bay über ALBERNI nach TOFINO und UCLUELET und zurück nach Vancouver. Das ist in drei Wochen zu schaffen. Doch der wahre Schatz dieses Landes liegt nicht in der Kilometerfresserei, sondern ganz woanders…
VORGESCHICHTE
Wieder einmal saß ich über den Teilen meines alten Motorrades und grübelte über eine möglichst günstige Realisierung der Restauration. Ein Schmuckstück sollte sie wieder werden – nach fast 100.000 Kilometern gemeinsamer Fahrt. Wind und Wetter hatten in dieser Zeit ihre Spuren hinterlassen und so war eine Totalüberholung fällig geworden. Der große Motor stand schon fertig montiert im Keller, der Rahmen war frisch lackiert und wartete darauf mit dem Motor verheiratet zu werden. Wir, d.h. mein Freund Sönke und ich, konnten also mit dem Rückbau beginnen.
Sabine, die beste Frau von allen, versuchte zur selben Zeit einen anderen Traum zu verwirklichen: Eine Reise nach Kanada sollte es sein! Nicht mehr und auch nicht weniger. Die Sache ging ihr auch nicht aus dem Kopf. Ich sah diesem Umstand etwas nüchterner entgegen: Meine Ersparnisse waren so gut wie aufgebraucht – für die Restaurierung meiner Suzuki. Wir mussten also eine Lösung finden. So kamen wir dann überein, dass Sabine mir den Betrag für meinen Teil der Reise vorstrecken sollte, wie so oft. Und so wurde der Traum von ihr auch langsam der meinige.
An einem der darauf folgenden Tage trafen wir mit Udo, einem ehemaligen Arbeitskollegen von Sabine, zusammen, um einen Erfahrungsaustausch bezüglich dieser Reise abzuhalten. Er war im Jahr zuvor mit seiner Freundin und den Großeltern mit einem gemieteten PKW dort gewesen und war fasziniert. Anhand eines selbst gedrehten Videos konnte er uns seine Begeisterung noch bestärken. Der Vorteil, der jetzt zum Tragen kam war: Udo arbeitete nun in einem Reisebüro und so kamen wir in den Genuss einer „günstigeren“ Reise. Und wir einigten uns auf eine Fahrt mit dem PKW von Motel zu Motel. So ein Camper war uns dann doch zu groß.Die Buchung via HERTZ nahmen wir in Deutschland vor – Abholung in Kanada. Ebenso buchten wir auch unsere erste Nacht in einem Hotel – besser war das.
Nun dauerte es noch einige Wochen bis zum Abflug in das Land unserer Träume. So wurden von jetzt an nur noch Bücher, Reiseführer und dergleichen studiert und durchgeackert. Das Objekt unserer Begierde hieß BRITISH COLUMBIA und ALBERTA oder vielmehr die Nationalparks dieser beiden Provinzen. Meine letzten Zweifel waren weg gewischt. Jetzt WOLLTE ich dort hin, sollte es kosten was es wollte. Je mehr ich über Kanada nachdachte, desto hippiliger wurde ich. Man nennt es wohl Reisefieber – kannte ich bis dahin ja noch nicht. Und es war unsere erste gemeinsame Reise die so weit weg von zu Hause gehen sollte. Und sie sollte für uns das Schönste und unvergesslichste Erlebnis werden.
Das in den folgenden 20 Jahren darauf noch viel mehr und noch schönere Erlebnisse in diesem Land folgen sollten, das wussten wir natürlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht…
Eine kontroverse, bisweilen moralische Diskussion über Schönheit. Eine nicht ganz wissenschaftliche Betrachtung. Fotografien von Schönheit, wie ich sie sehe.
Eine kontroverse, bisweilen moralische Diskussion über Schönheit. Eine nicht ganz wissenschaftliche Betrachtung. Fotografien von Schönheit, wie ich sie sehe.