20.03.2023
Um 2.00 Uhr schaue ich das erste mal auf den Wecker. Ich kann irgendwie nicht schlafen. Zu sehr arbeitet mein Hirn mit dem ersten Probearbeitstag bei ELAC.
Um 4.30 Uhr wird der Wecker klingeln…
Bis ich mit allen Vorbereitungen fertig bin wird es noch bis 5.15 Uhr dauern…
Zwischendurch döse ich wieder ein und wache nur durch die Tatsache auf, dass meine Ohren taub sind. Links mehr als rechts… na toll! Fängt ja gut an. Ich hätte doch schon eher den Termin beim Ohrenarzt nehmen sollen.
Noch bevor der Wecker klingelt beruhigt sich dieser Zustand wieder ein wenig und ich bereite mich auf die Abfahrt nach Kiel vor.
Es regnet. Nicht viel, aber doch genug, um meine Stimmung weiter nach unten zu drücken.
Menno, du Penner. Das ist eine Bundesstraße und keine Strecke für langsame Fahrzeuge, entfährt es mir überdurchschnittlich laut, als es vorn mal wieder nicht vorwärts geht. Und kein Mensch das versteht, warum bei einem Überholverbot auf einer Bundesstraße nur bis 80 gefahren werden darf. Schwachsinn…
Ich komme aber trotzdem pünktlich an.
So, und nun?
Vorne am Haupteingang warten? Eine kurze Weile.
Ich entschließe, mich einmal hinter dem Gebäude umzusehen. Doch da lande ich vor einer Tür wo
drauf steht: THEATER KIEL… jo, wat n Theater…
Also wieder zurück und da treffe ich bei einem Nebeneingang auf mehrere junge Leute die rauchend da herum stehen.
„Is dass auch n Eingang von ELAC?“, frage ich.
„Jo, aber du kannst nur mit uns hinein kommen… wart mal n Augenblick!“
Jo, so ist das wenn man mit Rauchern kommuniziert… der Dampf muss erst mal durch die Lunge, bevor die eigentliche Betätigung des Türöffnens ausgeführt werden kann…
Doch als ich dann drin bin, wo ich schon beim Bewerbungsgespräch war, ergibt sich alles wie von selbst.
Thorsten, der Produktionsleiter nimmt mich bei der Hand und führt mich noch einmal durch die heiligen Hallen, erklärt mir wo die verschiedenen Abteilungen, auch wo die Büros sind und schließlich landen wir wieder in der Produktionshalle. Ich werde meinem Kollegen vorgestellt, mit dem ich zusammenarbeiten soll. Wir beschnuppern uns kurz und Michael beginnt mit meiner Einweisung. Nicht alles auf einem Mal, aber genug um am Feierabend um 15.00 Uhr sagen zu können: Boah… so viel Eindrücke habe ich in den letzten drei Jahren nicht gehabt.
Ich darf auch gleich mit dem ersten Lautsprechermodell beginnen.
Michael zeigt es mir einmal, zweimal, dreimal, teilweise auch viermal ganz geduldig, was ich da zu tun habe. Nach drei, vier Stück habe ich es begriffen. Und es läuft recht gut.
Frühstück.
Tolle kleine Kantine. Tische mit groben Holzbohlen belegt, dominieren den Raum, 2 Kühlschränke für eigene Sachen stehen bereit, genauso wie vier Mikrowellenherde, die für persönliche Mahlzeiten bereit hängen. Ein Geschirrspüler – eine komplette Küche.
Ich setze mich nach Aufforderung einer Kollegin sogleich ans Fenster. Wir tauschen ein paar Sätze aus, ein richtiges Gespräch kommt aber noch nicht zustande. Und dann ist nach 25 Minuten auch schon die Pause zu Ende.
Ich stelle den Rest des großen Modells fertig und muss mich dann an einem neuen Modell beweisen. Es ist kleiner, aber es hat es in sich. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich bekomme zunächst ein Problem mit der richtigen Seite des Aufklebers. Er steht auf dem Kopf. Argh… Es folgen noch mehrere kleine, aber wichtige Sachen, die ich einfach vermassele. Warum? Ich weiß es nicht… Aber ich gebe nicht auf.
So geht das bis zur Mittagspause. Zwischendurch nähern Michael und ich uns weiter an, finden einige Gemeinsamkeiten und gehen tiefer.
Über uns klingen Lautsprecher, natürlich von ELAC, mit beschwingter Musik. Aber allein dies macht es zu einem kleinen Erlebnis.
Bin ich von SIG SAUER noch die dröhnenden Absaugvorrichtungen gewöhnt, die mit quäkendem Rumgenöhle eines kleinen Transistorradios übertönt werden sollte… wenn man es genau nahm, war das Scheißding nur eine weitere Lärmquelle, wurde ich hier schon fast umschmeichelt mit Musik. Eine völlig andere Welt.
25 Minuten… abschalten. Naja nicht ganz. Ich nehme noch etwas zu mir, um nicht zusammenzubrechen 🙂 checke noch kurz das Smartphone. Nichts, was wichtig wäre und weg damit!
Und schon befinde ich mich wieder auf dem Weg in meine Abteilung.
Ich lege wieder Hand an den Feind. 🙂 Aber es will noch nicht so aus mir hinaus. Michael beruhigt mich, ich solle ruhig machen, wie ich es am besten könnte. Mir fehlen ja noch die Tricks und Handgriffe, um die Arbeit auch produktiv schnell auszuführen. Und immer wieder erleide ich Rückschläge, aber auch wieder kleine Schritte nach vorn.
Ich habe noch nie von Schraubendrehern, unterstützt mit Luftdruck gehört die mit verschiedenen Drücken arbeiten können. Und da passiert mir dann auch mein erstes Missgeschick: Ich reiße eine Schraube mit dem tödlichen Teil ab. Das Gewinde ist hin. Lautsprecher auseinandernehmen und Innenleben in ein neues Gehäuse bauen. All so was kostet Zeit…
Ich will die Schrauben per Hand hinein drehen, merke aber schnell, dass dies nicht so einfach ist und übe weiter an dem Druckluftschrauber, der eine spezielle Technik aufweist: Auf dem ersten Weg schnell hinein und dann ganz langsam bis zum Ende anziehen. Doch was ich dabei beachten musste war: Ich durfte die Schrauben nicht, wie ich es bei dem größeren Modell getan hatte, alle vorher eindrehen und dann Attacke, da gab es ein anderes Problem. Drehte ich sie vorher hinein, war der Weg des Anzugs zu lang und die Gefahr des Abriss war gegeben. Also musste ich die Schraube die ich vorher eingedreht hatte, wieder bis zum Anfang zurück drehen und mit dem Schrauber hinein. So wurde daraus ein Schuh. Äh, Lautsprecher. Das eigentliche Problem aber war die Einhaltung der Spaltmaße. Deshalb schraubte ich vor. Das erschien mir so sinnvoller. Wenigstens hatte ich jetzt den Schrauber ein wenig unter Kontrolle.
Es ging auf Feierabend zu. Ich verlief mich noch einmal in ein Gespräch mit Michael, von wegen was gibt’s für Typen von Lautsprechern, wie macht man einen Impulstest und so weiter.
Kurze Zeit später schraubte ich noch weiter und bemerkte, dass Michael schon für morgen vorbereitete… Ich sollte morgen lernen zwei Lautsprecher gleichzeitig montieren. Vorspiel für vier Stück gleichzeitig, oder sechs… sonst würden wir ja gar nicht voran kommen.
Nicht das machte mir jetzt plötzlich Kopfzerbrechen, sondern eher die „noch lange nicht sitzenden“ Handgriffe. Es wird auch noch eine Zeit brauchen. Und ich weiß auch genau, dass es schwierig wird, wenn ständig etwas Neues hinzu kommt, das schon Erlernte wieder anzuwenden, wenn der Abstand zu groß wird…
15.00 Uhr, Feierabend. Michael und ich geben zum Umkleideraum und ich frage ihn direkt, was er denn nun von mir hält. Es ist das erste Mal seit meiner beruflichen Laufbahn, dass ich so etwas direkt frage. Aber ich wollte es wissen, es gehörte jetzt zu meiner weiteren Erkenntnis auch über mich selbst dazu. Wie wirke ich auf andere, erfülle ich das, was ich mir selbst zutraue auch wirklich?
Michael gibt mir ein ehrliches Statement und ich bin sehr zufrieden nicht nur mit mir sondern auch mit ihm. Das kann etwas Produktives werden. Jetzt muss ich nur noch körperlich durchhalten.
Sicher, ich verspüre eine gewisse Beanspruchung von Körperteilen, die sonst nicht so beansprucht werden. Aber das ist auch normal, nach so einer langen Zeit der Unproduktivität. Diese Zeit muss ich nur überstehen, dann wird es hoffentlich laufen…
Kurz bevor ich hinaus gehe treffe ich auf eine Reinigungskraft.
„Ich bin Fatima!“ strahlt sie mich an. Klein ist sie und der Funke springt sofort über.
„Du kannst mich Schnucky nennen“,antworte ich und wir grinsen uns noch einmal an, bevor ich gehe… Irgendwie scheinen Reinigungskräfte eine Art Anziehung auf mich auszuüben. Oder war es anders herum? 🙂
Epilog:
Ich fahre zum ersten Mal wieder glücklich nach Hause. Ja, es lief nicht alles hundertprozentig, aber ich habe Hoffnung. Zum ersten mal verspüre ich wieder so etwas wie Aufbruchsstimmung…